»Im Mai 2010 erhielt ich mit 41 Jahren die Diagnose Brustkrebs. Auch wenn diese Diagnose inzwischen 15 Jahre zurückliegt, erinnere ich mich sehr genau an meine Gefühle damals. Denn für mich stürzte mit der Diagnose wie für so viele von euch, meine kleine Welt ein.
Um die innere Ohnmacht aufzufangen, begann ich sehr rasch aktiv zu werden und unseren Alltag neu aufzustellen und zu organisieren. Das war mir vor allem mit Blick auf meinen Sohn sehr wichtig. Mein Sohn Justin wurde mit einer schweren Mehrfachbehinderung geboren, für ihn bin ich bis heute allein verantwortlich. Um die kommenden Monate der Behandlungen zu überstehen, brauchte ich umfassende Unterstützung und Absicherung von verschiedenen Seiten, die wir zum Glück bekamen. Trotzdem fühlte ich mich oft einsam. Besonders nachts, wenn mein Sohn schlief und ich allein mit meinen Gedanken war, überschlugen sich meine Ängste vor dieser immensen Herausforderung namens Krebs. Einen Partner, der mich in diesen Momenten auffangen konnte, hatte ich nicht.
So begann ich zu schreiben und teilte meine Gedanken sowie die Schritte meiner Behandlung auf dem sozialen Netzwerk WKW. Das Schreiben half nicht nur mir, sondern auch meinem Umfeld: Ich musste nicht jedem einzeln erklären, wie es mir ging, was mir in dieser Zeit sehr schwerfiel. Bereits während der Chemotherapie, den Operationen, der Bestrahlung und dem Beginn meiner Antihormontherapie war mir klar, dass mein Leben nicht mehr wie vorher sein würde. Zwei Jahre später, erhielt ich die Diagnose BRCA2*, was mich erneut erschütterte. Ich ließ mir daraufhin im Juni 2012 die Ovarien entfernen, um das Risiko für Eierstock- und Brustkrebs deutlich zu senken. Seitdem nehme ich an einem intensivierten Früherkennungsprogramm teil, das ich um Haut- und Darmkrebsvorsorge erweitert habe. Das Wissen um die Genmutation hat mir sehr zu schaffen gemacht. Die Diagnose BRCA2 erschütterte mich zutiefst und ich brauchte gut ein Jahr, um dieses Testergebnis psychisch zu verarbeiten. Doch ich sehe darin auch eine Chance: Ich kann dem Krebs im besten Fall einen Schritt voraus sein. Das Thema Krebs wird mich auf Lebenszeit begleiten…
Auch bei dieser Diagnose half mir das Schreiben, mit meinen Ängsten, um meine Gesundheit und unsere unsichere Zukunft umzugehen. Aber auch meine immense Wut auf diese frustrierende Lebenssituation, in der ich steckte, konnte ich auf diesem Weg verarbeiten und loslassen. Ich wollte aber kein Opfer der Umstände sein, sondern das Beste für meinen Sohn und mich erreichen. Das Leben bietet viel zu viele schöne ›Konfetti-Momente‹, als sich vor lauter Angst vor dem, was morgen sein könnte, zu verstecken!
Im Mai 2013 begann ich als eine der ersten Frauen im deutschsprachigen Raum öffentlich über meine Krebserkrankung zu bloggen. Das war der Grundstein für meine heutige Website und meine Social-Media-Präsenz. Durch das öffentliche Schreiben konnte ich nicht nur meiner eigenen Geschichte eine Stimme geben, sondern auch vielen anderen Krebsbetroffenen. Heute darf ich das tun, was mich erfüllt: Mein Wissen, meine Erfahrungen und mein Herzblut in einen größeren Zusammenhang stellen – für Menschen, die an Krebs erkrankt sind. Was einst aus einer persönlichen Motivation entstand, ist gewachsen: Ich begleite Workshops, gebe Impulse in Vorträgen, wirke in Beiräten mit, unterstütze redaktionell, gestalte Inhalte mit und schreibe in Büchern mit. Nicht, weil ich alles weiß, sondern weil ich weiß, wie wichtig es ist, gehört, gesehen und gestärkt zu werden.«