Frank

,

58

Magenkrebs, Magen weg – und jetzt? Frank erzählt von seiner Therapie und wie es ist, das Leben ohne Magen. Was er sich damals an Orientierung gewünscht hätte, gibt er heute auf seiner Homepage OkayFrank.de weiter.

Magenkrebs, Magen weg – und jetzt? Frank erzählt von seiner Therapie und wie es ist, das Leben ohne Magen. Was er sich damals an Orientierung gewünscht hätte, gibt er heute auf seiner Homepage OkayFrank.de weiter.

»Das K-Wort kam vom Gastroenterologen. Gastro ... was? Klingt irgendwie nach einem Restaurantkritiker, der Sterne vergibt – jemand, der über Peking-Ente, Brennnessel-Zitronensorbet und Kartoffelspiralen mit Lakritzmayo urteilt. Doch wer als Gastroenterologe arbeitet, interessiert sich nicht für hübsch angerichtete Speisen, sondern für den menschlichen Magen und Darm – besonders, wenn Patienten wegen Beschwerden kommen. Statt Sterne gab’s bei mir also eine Magenspiegelung. Und dabei fand man etwas, das ich niemals auf dem Buffet des Lebens haben wollte: einen Tumor in der Magenwand.

Ich heiße Frank. Im Jahr 2022 bekam ich die Diagnose Magenkrebs. Mein erster Gedanke war nicht Angst, sondern Erstaunen – so, als hätte jemand einen völlig falschen Namen aufgerufen: Meinen die wirklich mich? Das kann nicht sein, denn ich werde doch über 100 Jahre alt! Mir erschien das logisch: nie geraucht, kein Alkohol, sportlich, immer schlank und eine bislang optimistische Lebenseinstellung.

Nach weiteren Untersuchungen musste ich es aber akzeptieren: Ich gehörte ab sofort zu den Menschen mit Krebs. Es folgten schwierige Monate mit Chemotherapie, Nebenwirkungen, Magenentfernung, Untergewicht und Verzweiflung. Und dabei hat es zunächst doch geheißen: ›In der Regel ist die Chemotherapie gut verträglich. Es gibt Mittel gegen die Nebenwirkungen.‹ Und: ›Auch ohne Magen kann man gut leben.‹ Das sind schöne, motivierende Worte – und so rechnete ich nur mit leichtem Gegenwind. Doch was auf mich zukam, war ein Sturm.

›Wow, die Chemos hauen heftig rein!‹

Die Zytostatika machen nicht nur Tumorzellen kaputt, sondern auch alle anderen Zellen, die sich schnell teilen. Dazu gehören die Haarwurzeln: Auf dem Kopf plötzlich ganz nackt, das ist ungewohnt und im Winter unangenehm kalt. Im Gesicht dagegen ist es superpraktisch, weil man sich als Mann die tägliche Rasur erspart – und untenrum ... sagen wir mal, ist es freizügig. Doch auch alle Schleimhäute im und am Körper sind schnell teilende Zellen.

So waren bald meine Augen ausgetrocknet, der Rachen und das Zahnfleisch entzündet, die Nase wund und oft blutend ... und vor allem der Darm: Mein armer Darm! Er konnte kaum noch seine Verdauungsfunktion erfüllen, was häufige Durchfälle und Gewichtsverlust bedeutete. Und nein, dieser Gewichtsverlust hat mich ganz und gar nicht gefreut, da ich vor der Erkrankung bereits superschlank war. In kurzer Zeit keine Haare mehr auf dem Kopf, rote Augen und weniger Kilo auf den Rippen ... da hörte ich oft: ›Frank, oh je, wie schaust du denn aus?‹

Aber nicht nur das Essen rauschte ungebremst durch den Körper, auch die Blutwerte rauschten in den Keller. Schon nach ein paar Treppenstufen bekam ich Atemnot. Kaum zu glauben für jemanden wie mich, der sonst stundenlang in den Bergen herumrennt. Doch es kam noch schlimmer: Schwindelanfälle und Ohnmacht.

Kollateralschaden

Wegen der schlechten Blutwerte mussten Chemo-Sitzungen verschoben werden. Trotzdem hielt ich durch, denn meine Motivation war: ›Ich muss Gift nehmen, um zu überleben.‹ So oder so ähnlich steht es in den medizinischen Studien. Naja, fast. Es ist vielmehr ein Zahlenspiel: Mit Chemotherapie steigt die 5-Jahres-Überlebensrate um bis zu 20 % – im Vergleich zu jenen, die sagen: ›Ach, die lästige Chemo spare ich mir.‹ Ist die Sorge groß, klammert man sich an solche Zahlen.

Nach den Chemos wuchsen nach einiger Zeit wieder die Haare, die Schleimhäute regenerierten sich, und die Blutwerte kamen in den Normalbereich – aber manches Problem ist geblieben: Taubheitsgefühl an Händen und Füßen ... Polyneuropathie. Das ist bis heute lästig: Ich habe keinen sicheren Stand mehr, und mir gleitet ständig etwas aus den Händen.

Hätte ich nur rechtzeitig gegengesteuert mit Kühl-(Hand-)Schuhen, Kompressionsstrümpfen und knapp sitzenden OP-Handschuhen! Nutzt man dieses Equipment während der Chemo-Infusionen, wird der Blutfluss in Händen und Füßen reduziert und damit auch die schädliche Wirkung auf die Nerven. Hätte ich das alles vorher gewusst, wäre mir diese dauerhafte Behinderung vielleicht erspart geblieben – oder sie wäre heute zumindest nicht so ausgeprägt. Doch wenn dir niemand davon erzählt …

Der Magen muss raus

Als ich endlich die ersten vier Chemos überstanden hatte, blieb wenig Zeit für Erholung. Die Magen-OP musste zügig geplant werden, denn mit einer Chemotherapie allein bekommt man Magenkrebs nicht weg. Kleine Metastasen vielleicht schon, aber der Haupttumor lässt sich durch Chemos leider nicht endgültig ausmerzen. Denn vorher geht man selbst vor die Hunde – durch die Nebenwirkungen.

Die wichtigste Therapiemaßnahme ist deshalb immer noch die chirurgische Entfernung des Tumors – mit großem Sicherheitsabstand. Auch bei mir war es die klassische Magenentfernung (Gastrektomie). Und der Verdauungsapparat musste neu zusammengefügt werden! Das erfolgte bei mir mit der üblichen Roux-Y-Rekonstruktion, bei der der Dünndarm mit der Speiseröhre verbunden wird. Das fehlerhafte Bauteil wurde also entfernt und die Stelle überbrückt.

No items found.

Ohne Magen – nicht lustig!

Über die medizinische Seite von Magenkrebs lässt sich gut im Internet recherchieren. Doch meist fehlt die echte, gelebte Erfahrung. Was passiert wirklich nach der OP? Wie übersteht man die ersten Wochen, wenn das Gewicht immer weiter schwindet? Was kann man noch essen? Die Antwort der Ernährungsberater war arg simpel: ›Probieren Sie, was Sie vertragen.‹

Ich habe probiert und probiert ... und ich habe so gut wie kein Essen vertragen: Blähungen, Durchfall, noch mehr Untergewicht. Der Mensch hat nicht ohne Grund einen Magen, der wichtige Verdauungsfunktionen erfüllt. Oder diese Standard-Empfehlung nach einer Magenentfernung: ›Kleinere Portionen, dafür häufiger.‹

Klar, das stimmt, denn ohne Magen fällt alles durch die Speiseröhre direkt in den Dünndarm, und der ist – dünn. Da passt nicht viel rein. Doch was, wenn selbst kleine Portionen Probleme verursachen? Dann noch weniger essen? Vielleicht Sahnetorte, Eiscreme und fettige Pommes als Kalorienbombe? Der Begriff ›Bombe‹ ist passend, denn diese Lebensmittel führen auch heute noch zu schweren Verdauungsproblemen. Kleinkinder machen in die Hose und manchmal sehr alte Menschen ... ja, ich fühlte mich sehr alt. Ich nahm täglich ab und dachte: Wenn das so weitergeht, wiege ich in vier Monaten genau null Gramm. Dann habe ich mich verdünnisiert – ganz wörtlich.

Oder der viel zu allgemeine Tipp: ›Essen und Trinken trennen.‹

Auch dieser Hinweis mag hilfreich gemeint sein – doch die blinde Befolgung kann Probleme verursachen. Beispiel: Ein Brot mit Belag ist relativ trocken. Ohne Magen, der das Essen normalerweise vorverdaut und geschmeidig verflüssigt, staut sich nun im Dünndarm das trockene Essen und wird nicht weiter transportiert. Der Dünndarm wird gedehnt und drückt nach allen Seiten, auch nach oben Richtung Speiseröhre. Die Folge: Würgereiz, Erbrechen. Es war alles großer Mist! Was mir fehlte, war ein Mensch, der das alles durchlebt hatte und der mir sagen konnte: ›Wenn DAS passiert, dann mach einfach DIES.‹ Diesen Menschen gab es nicht. So musste ich selbst zu dem Menschen werden, den ich damals gebraucht hätte.

Verdauung neu gelernt – raus aus der Auszehrung!

Wenn ich in der schwierigen Zeit nur schon gewusst hätte, was ich heute weiß. Hätte, hätte ... Damals waren es schlimme Monate, in denen ich mein eigenes Versuchskaninchen war. Ich habe vieles ausprobiert – das meiste hat nicht funktioniert.

Erst als ich anfing, die Lehre von der Verdauung zu studieren, kam die Wende. Nachdem ich die Mechanismen und Zusammenhänge im Verdauungstrakt verstanden hatte, stellten sich erste Erfolge ein. Jede Mahlzeit landete in meinem Ess-Tagebuch, einschließlich der Wirkung. Bis ich endlich wusste, dass ich möglichst wenige Kohlenhydrate essen sollte: also kein Mehl, kein Reis, keine Kartoffeln, kein Zucker und so weiter. Das nennt man ketogene Ernährung. Mit dem Wissen um Früh- und Spätdumping, Osmose, Mikrobiom im Darm, Verdauungsenzyme und vieles mehr konnte ich weitere wichtige Aspekte bei der Ernährung optimieren: Das Essen braucht die richtige Konsistenz, es erfordert die richtigen zeitlichen Abläufe, unterstützende Medikamente und weitere Tricks.

Mit der Zeit wurde mein Wissen größer, meine Strategien wirkungsvoller. Ich habe gelernt, auf meinen Körper zu hören und Symptome zu deuten. Und so habe ich es geschafft: Ich habe nach einigen Monaten alle Verdauungsprobleme behoben, konnte endlich den Gewichtsverlust aufhalten und kam schließlich Stück für Stück heraus aus der Mangelernährung. Das Leben kehrte zurück.

Heute ist es prima: Mein NEUES Leben

Doch es ist nicht mehr das, was es einmal war! Zumindest einen Aspekt meines alten Lebens werde ich nicht mehr haben: Ich kann mir nicht mehr den Magen vollhauen und mich dann stundenlang mit irgendetwas beschäftigen. Nun, wo er fehlt – der Magen – da weiß ich, wie praktisch früher dieser große ›Vorratsbehälter‹ war.

Wenn ich unterwegs bin, habe ich jetzt immer mein Essen dabei. Das Essen, von dem ich weiß, dass ich es gut vertrage: ketogenes Brot, ketogener Schokopudding, ein paar Nüsse, ein gekochtes Ei, selbstgemachte Geflügelfrikadellen (ohne Semmelbrösel, also ohne Mehl) und so weiter. Dann der regelmäßige Blick auf die Uhr: Ist es wieder Zeit für das Trinken? Wann die nächste kleinere Mahlzeit? Ein Hungergefühl gibt es ohne Magen nicht mehr, aber ein Schwächegefühl. Doch wenn dieses Gefühl hochkommt, heißt das: ›Du hast schon wieder was verpasst, mein Freund!‹ Also braucht es den häufigen Blick auf die Uhr!

Am Anfang ist alles ungewohnt. Doch es wird Gewohnheit und lässt sich mit einer normalen Lebensführung gut kombinieren. Auch Urlaube sind möglich – dann am liebsten in Ferienwohnungen mit Küche. So kann ich mir mein Essen selbst zubereiten und bleibe Küchenchef meines eigenen Wohlbefindens.

Im Restaurant bin ich schnell. Ich scanne die Karte wie ein Spatz auf Krümelsuche: Gibt’s Gemüse? Gibt’s Fisch? Gibt’s Geflügel? Dann bin ich dabei. Und wenn ich nett frage, bekomme ich meist eine angepasste Mahlzeit.

Gut siehst du aus!

Beim letzten Familientreffen blieb mir ein Satz besonders im Ohr: ›Du siehst richtig fit und gesund aus.‹ Und genau so fühle ich mich. Ich bin aktiv, mache täglich Yoga oder Kraftsport. Die Verdauung funktioniert und mein normales Gewicht ist zurück. Schade, dass mir damals das nötige Wissen fehlte. Ich wünsche niemandem, was ich durchgemacht habe. Aber ich wünsche jedem den Zugang zu dem Wissen, das mir gefehlt hat. Deshalb habe ich begonnen, meine Erkenntnisse zu sammeln, zu ordnen und so aufzubereiten, dass andere davon profitieren – ohne all die Umwege.

Wer mehr über meinen Weg durch die Krebstherapie erfahren will oder konkrete Tipps sucht zur Verdauung und zum Leben ohne Magen, der findet auf meiner Webseite ›Okayfrank.de‹ viele hilfreiche Artikel.

Am Anfang wollte ich nur überleben. Doch jetzt will ich mehr!

Ich habe angefangen, mein neues Leben sinnvoll einzurichten. Und vor dem Einrichten steht das Ausmisten: Ich habe vieles gestrichen – Hobbys zum Beispiel, die mehr stressen als erfüllen. Selbst mein sozialer Kreis hat sich verändert: Menschen, die Energie saugen wie ein Staubsauger auf Höchststufe – nur ohne Auffangbeutel – halte ich inzwischen auf Abstand. Auch im Haus ist vieles rausgeflogen. Welche Erleichterung! Unzählige Bücher, CDs, Klamotten, überflüssige Geräte ... Ich habe 37 Kugelschreiber gefunden. Keiner hat geschrieben. Aber ich war kurz davor, ihnen ein eigenes Zimmer zu geben.

Dadurch ist Raum entstanden – außen wie innen. Ich kann wieder durchatmen und es ist Platz für neue, sinnvolle Routinen. Mein Ziel: zufriedener leben und länger als Menschen mit Magen.

Ich habe nicht überlebt, um das Alte notdürftig zu reparieren – sondern um etwas Besseres zu erreichen.«

Name
Frank
Instagram
Interviewt von
Erzählt am
31.7.2025
Verstorben am

Schau mal, diese Geschichten könnten dir auch gefallen.

Patient:in
Magenkrebs
Frank
,
58
Patient:in
Hodgkin-Lymphom
Sofia
,
26
Patient:in
Brustkrebs
Judith
,
38
Patient:in
Darmkrebs
Rebekka
,
30
Patient:in
Hodgkin-Lymphom
Cordula
,
44
Patient:in
Hautkrebs
Stefan
,
42
Patient:in
Hirntumor
Celina
,
20
Patient:in
Brustkrebs
Nicole
,
56
Patient:in
Brustkrebs
Anni
,
30
Patient:in
Eierstockkrebs
Sophia
,
27
Patient:in
Hodgkin-Lymphom
Clara
,
21
Patient:in
Brustkrebs
Elke
,
47
Patient:in
Brustkrebs
Janine
,
44
Angehörige:r
Darmkrebs
Jacqueline
,
24
Patient:in
B-Zell-Lymphom
Linda
,
45
Angehörige:r
Karzinome
Hirntumor
Tanja
,
49
Illustration eines rosa Sparschweinchens

Hilf uns beim Helfen! Mit deiner Spende.

Damit wir auch zukünftig weiter Geschichten von Patient:innen und Angehörigen erzählen können, sind wir auch deine Spende angewiesen.

Hilf uns beim Helfen! Mit deiner Spende.

Logo PayPal.
Mit PayPal spenden
Logo Betterplace.
Mit Betterplace spenden

Per Überweisung

IBAN DE11 8306 5408 0004 2983 06
BIC GENODEF1SLR
Bank Deutsche Skatbank
IBAN kopieren