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Unsere Lebensgeister: Lustige, herzerwärmende und überraschende Erfahrungen trotz Krebs

Krebs laugt aus. Nicht nur körperlich. Auch psychisch geht die Krankheit vielen Betroffenen an die Substanz. Das ist kein Wunder, denn Chemo- und Immuntherapie, Bestrahlung, Medikamente und andere Maßnahmen fordern ihren Tribut. Doch in all der harten Zeit gibt es sie: Die Momente, die uns erinnern, weshalb wir uns dem Krebs nicht einfach ergeben wollen.

Lebensgeister: In guter Gesellschaft
17.7.2025
Lebensgeister
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Die heutige Geschichte von Dani erzählt von einem tiefen Einschnitt, der Suche nach Zugehörigkeit – und davon, wie eine neu gewonnene Gemeinschaft zu einem Ort des Heilens wurde:

»Als ich nach der OP das erste Mal mein Gesicht sah, war mir schnell klar: Dieses Gesicht, das mich 38 Jahre begleitet hatte, das mich gestern noch aus dem Spiegel angeschaut hatte – ja, ein Stück meiner Identität – wird es so nicht mehr geben.

Im August 2021 wurde mir aufgrund eines High-Risk-Plattenepithelkarzinoms in der Mundschleimhaut, in einer langen Operation etwa 70 % meiner Unterlippe entfernt. Die plastischen Chirurgen versuchten, so viel Gewebe wie möglich zu erhalten, aber gleichzeitig alles zu entfernen. Im ersten Gespräch mit dem Arzt wurde mir gesagt, dass ich Glück hatte, überhaupt noch eine Unterlippe zu haben. Sie entfernten den Tumor ›close margin‹, das heißt ohne Sicherheitsabstand. Nach Leitlinie hätte ich keine Lippe mehr gehabt. Lange war nicht klar, ob auch wirklich alles von dem Tumor entfernt wurde oder ob nachoperiert werden muss. Also musste ich mich nicht nur an mein neues Gesicht gewöhnen, ich hatte auch immer Angst, dass ich diesen neuen Status Quo wieder verliere und mit einer größeren Entstellung klarkommen muss. Denn so fühlte ich mich – entstellt und entfremdet.

Auch wenn ich mein neues Gesicht schnell akzeptierte – eine Wahl hatte ich ja nicht – war ich im Umgang mit meinen Mitmenschen sehr unsicher. Was denken die Leute, wenn sie mich sehen? Werden sie vielleicht sogar angeekelt sein? Ich hatte sogar die Befürchtung, dass meine Neffen Angst vor mir haben. Ich hatte viele Narben im Gesicht. Durch die Modellierung einer Lappenplastik ziehen sich die Narben von einem Nasenflügel, übers Kinn mit der zusammengenähten Unterlippe, bis zum anderen Nasenflügel. Mein Glück im Unglück war die Maskenpflicht. So war die Maske für mich ein Schutzschild vor den Blicken der Menschen. In diesen Momenten konnte ich noch eine ›normale‹ Person sein.

Mir war aber klar: Das wird nicht ewig so gehen. Also was tun? Soll ich mich jetzt verstecken? Es gibt einen Spruch, der besagt: ›Der Weg weg von der Angst, geht durch die Angst.‹ Und so habe ich mich entschieden, offensiv vorzugehen und der Welt da draußen mein kaputtes Gesicht entgegenzustrecken. Als Mittel fiel die Wahl auf Instagram. Ich kannte diese Plattform bisher als Tool, um anderen zu zeigen, wie toll man ist oder aussieht (und was man gegessen hat). Ich wollte dieser Welt einfach zeigen, dass es reale Gesichter gibt, die nicht durch einen Weichzeichner geglättet werden können. Ja, es war auch viel Trotz und vielleicht auch etwas Wut dabei.

Was ich aber auf Instagram vorgefunden habe, war eine ganz andere Welt. Ich habe eine tolle Gemeinschaft gefunden – eine ›Krebsi-Bubble‹ mit anderen Betroffenen, die auch Narben an vielen Stellen trugen. Sei es am Körper oder an der Seele. Die verstanden, was in mir vor sich geht. Ich habe tolle Menschen kennengelernt, ein paar sogar im realen Leben getroffen. Tiefe Gespräche geführt, wertvolle Tipps und Hilfen bekommen und erfahren, dass ich mit diesem Gesicht akzeptiert werde. Es hat mir den Heilungsprozess und die Akzeptanz in der echten Welt erleichtert. Ich hatte weniger Angst zu zeigen, wie ich bin und habe gelernt, es als meine neue Identität anzunehmen.

Heute bin ich stärker und selbstbewusster als vor meiner OP. Natürlich hadere ich immer noch mit den Narben und den Folgen. Das Gewebe ist teilweise taub, ich habe Schmerzen und Verspannungen im Gesicht, ein breites, freies Lachen ist nicht mehr möglich und … na ja …knutschen ist halt auch nicht mehr so cool wie früher.

Apropos knutschen: Ich habe sogar die Liebe gefunden. Einen Menschen, der sich nicht an den Narben stört und einfach den Menschen dahinter sieht.

Und nach vier Jahren in Remission bin ich schon fast dankbar, wie alles gekommen ist. Welche Chancen sich mir durch diesen krassen Einschnitt geboten haben und dass ich mich nicht in Angst verkrochen, sondern die Identitätskrise zum Wachstum genutzt habe.

Meinen Neffen hatten übrigens keine Angst vor mir. Ich glaube, Kinder gehen mit solchen Dingen einfach cooler um als wir Erwachsene.«

In guter Gesellschaft
Lebensgeister: Ein Schritt nach dem anderen
16.6.2025
Lebensgeister
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Die heutige Geschichte von Lucia erzählt von Rückschlägen, unerschütterlicher Willenskraft – und dem Lauf, der mehr war als nur ein sportliches Ziel:

Wenn ich an mein Ich vor der Brustkrebsdiagnose denke, sehe ich da diese Frau, die gerne auf der Couch lümmelt. Und gleichzeitig die Frau, die es liebt in Bewegung zu sein. Die Frau, der Bewegung leichtfällt. Während meiner Akuttherapie war ich immer wieder an die Couch gefesselt. Ich sagte mir, wenn ich das alles überstanden habe, dann lege ich wieder los. Im Juli 2024 – ich hatte gerade meine berufliche Wiedereingliederung geschafft – hat aber so richtig körperlich fit war ich noch nicht. Ein Ziel musste her.

Mich in 9 Monaten auf ein 10-Kilometer-Rennen vorbereiten? Das schaffe ich. Und so meldete ich mich zum ersten Mal in meinen Leben für einen Lauf an, der am 11.04.2025 stattfinden sollte. Was ich nicht ahnte, dass ich sechs Wochen nach der Anmeldung meine zweite Krebsdiagnose erhalten würde: Triple-negativer-Brustkrebs mit Metastasen in Wirbelsäule und Leber. Laufen? Keine Zeit, um überhaupt daran zu denken. Ich verlor immer mehr an Kraft und Gewicht. Wenn es die Schmerzen es erlaubten, schaffte ich einen kleinen Spaziergang.

Bevor ich mit der Chemotherapie beginnen konnte, wurde ich zehn Mal an Hals-, Brustwirbelsäule, Kreuzbein und Beckenknochen bestrahlt. Das waren die bis dato härtesten Wochen meines Lebens. Neben unglaublichen Schmerzen, Appetitlosigkeit und Übelkeit, weiteren Gewichtsverlust, bewegte ich mich nur noch, wenn ich mich vor Schmerzen krümmte. Nach der Bestrahlung begann im Oktober meine Chemotherapie. Aufgrund schlechter Blutwerte bekam ich zunächst Bluttransfusionen. Außerdem wurde ich stationär aufgenommen, um die erste Gabe der Chemotherapie zu überwachen. Ich reagierte heftig auf die Infusion. Die Leukozyten rauschten weiter ab, sodass ich isoliert werden musste. Inzwischen hatte mich die behandelnde Ärztin mit Hydromorphon eingestellt, sodass ich kaum noch Schmerzen hatte. Ich begann täglich kleine Runden auf der Dachterrasse des Krankenhauses zu gehen und praktizierte sanftes Yoga in meinem Krankenzimmer.

Nach zwei Wochen hatten sich meine Blutwerte so weit erholt, dass ich meine Chemotherapie in reduzierter Dosis fortsetzen konnte. Diesmal vertrug ich sie gut. Ich war sehr müde, aber erneutes Fieber und Knochenschmerzen blieben aus. Endlich konnte ich nach Hause und die Chemo ambulant fortführen. Ich war immer noch schwach, aber nach und nach kam wieder Kraft in meinen Körper. Langsam nahm ich auch an Gewicht zu. Nicht zuletzt durch das Olivenöl, dass mein Mann heimlich unter mein Essen mischte, wie er im Nachhinein zugab. Langsam rückte das erste Staging näher. Da es mir stetig besser ging und ich immer mehr Yoga und Spaziergänge in meinen Alltag integrieren konnte, tauchte auch ab und zu der Gedanke an das Rennen in meinem Kopf auf. Kurz vor Weihnachten hätte man mir kein größeres Geschenk machen können: Die Chemo schlug an. Die Metastasen in der Leber waren rückläufig und die Metastasierung in den Knochen stabil. Die Ärzte gaben ihre Zustimmung. Und so kaufte ich noch vor dem Jahreswechsel hochmotiviert neue Laufschuhe und startete mit dem Joggen. Naja, ob man es – von außen betrachtet –,Joggen nennen konnte, sei dahingestellt. Aber ich war glücklich.

Noch vor vier Monaten konnte ich mich kaum bewegen und war mir nicht sicher, ob ich jemals wieder Laufschuhe tragen würde. Ob ich überhaupt so weit in die Zukunft planen sollte. Ich will nicht lügen, die ersten Schritte waren hart. Bei jedem Schritt spürte ich in meinen Körper hinein. Halten die Knochen? Mache ich zu viel? Die ersten Schritte sind bis heute kein Vergnügen. Doch bin ich einmal am Laufen, in meinem Tempo – einem Intervall von fünf Minuten laufen und einer Minute gehen – komme ich (meistens) in einen Flow. So schaffte ich Mitte Januar meine ersten fünf Kilometer. Das Hydromorphon hatte ich inzwischen komplett abgesetzt. Doch irgendwann spürte ich, das etwas nicht stimmte. Ich ermüdetete viel schneller, war innerlich unruhig und gestresst. Plötzlich bemerkte ich kleine Pickel an meinem Kopf. Sechs Wochen vor dem Rennen dann die Diagnose: Gürtelrose. Das kann nicht wahr sein. Ich sollte jegliche Art von Sport und Stress vermeiden. Stress vermeiden, obwohl mein zweites Staging in drei Wochen anstand. Ein toller Rat dachte ich. Und das Rennen kann ich vergessen. Ich hatte es noch nicht einmal geschafft zehn Kilometer zu laufen.

Die Gürtelrose heilte glücklicherweise gut und schnell ab. Drei Tage vor meinem Staging tastete ich einen stark vergrößerten Lymphknoten an meinem Hals. Das Staging bestätigte mein Körpergefühl. Gerade als ich von den MRT- und CT-Aufnahmen nach Hause kam, klingelte mein Handy. Ich wusste sofort, dass das kein gutes Zeichen war. Mehrere Lymphknoten im Körper waren stark vergrößert und lagen bedrohlich nah an wichtigen Hohlvenen. Da ich am Telefon von all den Informationen völlig überfordert war, bekam ich am nächsten Tag einen Gesprächstermin. Alle Aufnahmen wurden mir nochmal in Ruhe erläutert. Ich begann prophylaktisch Heparin zu spritzen und ich wurde von Sacituzumap auf Eribulin umgestellt. Auf meine Frage, ob ich wieder joggen gehen darf: Ja, wenn sie sich nicht überanstrengen. Noch so ein toller Rat. Vorsichtig tastete ich mich wieder an das Laufen heran.

Dann genau zehn Tage vor dem Rennen, war ich von mir selbst so genervt. Ich konnte nicht immer wieder dem Krebs die Oberhand überlassen. Es ist immer noch mein Körper. Der Krebs gehört halt jetzt dazu, ob ich will oder nicht. An diesem Morgen lief ich einfach los. Ohne nachzudenken, dafür mit Mut und auch ein bisschen Wut im Bauch. Viel wichtiger jedoch war, dass ich – mit Zuversicht im Herzen – spürte, dass nach all diesen Rückschlägen nun die Zeit für etwas Gutes gekommen war. An diesem Tag lief ich zum ersten Mal die zehn Kilometer. Ich weinte vor Glück. Zehn Tage später stand ich nun in meinem Startblock. Der Startschuss ertönte und ich lief los. In meinem Tempo, mit meinen Gehpausen zwischendurch. Die ersten Kilometer war ich noch sehr zittrig. Doch ich spürte, dass mein Körper sich gut anfühlte. Das ich stark bin. Und als mich dann noch meine Schwägerin, mein Mann und all die fremden Menschen an der Strecke anfeuerten, wurde ich noch mehr beflügelt. Nach gefühlt einer Ewigkeit war das Ziel in Sicht. Noch bevor ich die Ziellinie überquerte, liefen mir die Freudentränen über die Wangen. Trotz Anstrengung strahlte ich über beide Ohren.

Wer aber noch mehr strahlte war mein Mann. Als ich auf der Zielgerade mit ihm abklatsche, sah ich es in seinen Augen: der Stolz, die Freude, die Erleichterung. Manchmal vergisst man als Betroffene wie sehr diese Krankheit auch unsere Liebsten trifft. Wie sie mitleiden, alles mittragen, obwohl der Fokus immer auf uns gerichtet ist. Ich lief jeden Schritt auch für ihn. Als ich die Ziellinie überquerte, riss ich vor Freude die Arme in die Luft, als wäre ich gerade einen Marathon gelaufen. Für mich fühlte es sich genauso an. Als ich dann noch meine Medaille um den Hals gehängt bekam, platzte ich vor Stolz. Es war für mich auch im Ziel nicht zu fassen, dass ich das geschafft hatte. Nach alldem, was seit der Anmeldung passiert war. Es gab Zeiten, da hätte ich niemals geglaubt, dass ich diesen Moment erleben würde. Doch noch mehr habe ich an mich geglaubt. An all das, was in mir steckt. Und vor allem daran, dass in meinem Körper immer noch mehr gesund als krank ist.

Ein Schritt nach dem anderen
Lebensgeister: Ein Tag in Pink
15.5.2025
Lebensgeister
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Manchmal sind es die kleinen Momente während einer Krebserkrankung, die so viel Bedeutung haben. Für diejenigen, die diese Erfahrung machen, sind es oft die unerwarteten Begegnungen, die den größten Einfluss haben. Ein solcher Moment kann helfen, eine neue Perspektive zu gewinnen und sich selbst neu zu akzeptieren. Die heutige Geschichte von Carmen ist eine positive Erinnerung daran, wie viel Kraft in Gemeinschaft, Offenheit und einem liebevollen Blick auf uns selbst liegt:

»Mitten in meiner Krebstherapie fühlte ich mich oft kraftlos – körperlich und emotional. Es gab Tage, an denen der Blick in den Spiegel schwerfiel. Die Haare weg, die Haut blass, das Selbstbild zerzaust wie nach einem Sturm.Und dann habe ich die @pinkstyletour auf Instagram entdeckt.

Das ist eine Umstyling-Tour durch verschiedene Städte in Deutschland und der Schweiz für Brustkrebsbetroffene. Ich habe mich für den Tour-Ort Berlin beworben und bekam auch die Zusage.Ich wusste nicht genau, was mich erwartete nur, dass es um ein Umstyling ging und um Begegnungen mit anderen Betroffenen.Ich zögerte. War das wirklich was für mich?Aber irgendetwas in mir – vielleicht ein letzter Funke Neugier oder Sehnsucht nach Leichtigkeit – sagte: »Mach das.«Schon beim Ankommen im Hotel spürte ich eine besondere Atmosphäre. Kein Mitleid, kein betretenes Schweigen – sondern Lachen, ehrliche Blicke, Offenheit. Wir waren Frauen mit Narben, mit Geschichten, mit Stärke – und an diesem Tag auch mit dem Wunsch, uns selbst neu zu entdecken.

Das Umstyling war viel mehr als Make-up und Haarstyling. Es war ein liebevoller Blick von außen, der mir half, mich selbst wiederzusehen – nicht nur als Patientin, sondern als Frau.Als ich schließlich in den Spiegel sah, konnte ich es kaum glauben: Da war ich – strahlend, mutig, lebendig.Noch schöner als das Umstyling war der Austausch mit den anderen Frauen. Wir verstanden uns ohne viele Worte. Wir lachten über Dinge, über die andere vielleicht nie lachen würden. Wir weinten auch – aber nie allein. Diese Begegnungen haben mir neue Kraft gegeben. Ich ging nicht nur mit einem neuen Look nach Hause, sondern mit einem gestärkten Herzen.

Die Pink Style Tour war für mich ein Wendepunkt. Sie hat mir gezeigt: Ich bin nicht allein. Und selbst in der schwersten Zeit kann Schönheit, Verbundenheit und Lebensfreude aufblühen – ganz in Pink.«

Ein Tag in Pink
Lebensgeister: Eine aufmerksame Professorin
16.4.2025
Lebensgeister
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Manchmal sind es die Menschen, von denen wir es nicht erwarten würden, die uns in schwierigen Zeiten am meisten unterstützen. Auch für Angehörige kann die Diagnose Krebs das Leben von heute auf morgen auf den Kopf stellen. In unserer heutigen Geschichte erzählt uns Rebecca davon, wie wichtig es ist dir Hilfe zu holen, wenn du sie brauchst.

»Als ich 2016 erfuhr, dass mein Papa Lungenkrebs hatte, war das ein Schock. Ein Schock, den ich zuerst nicht so recht wahrhaben wollte. Ich redete mir ein, dass mein Leben ›ganz normal‹ weitergeht. Ich habe weiter studiert, weiter gearbeitet, eine Beziehung geführt, mich mit Freunden getroffen und meinen Papa so oft besucht, wie ich nur konnte – immerhin lagen etwa 700 Kilometer zwischen uns.

Eine ganze Zeit lang ging dies auch gut. Doch nach etwa ungefähr sechs Monaten, einer Trennung, einem Umzug und im sechsten Semester meines Design-Studiums, bemerkte nicht ich, dass ich ein Problem hatte, sondern meine Professorin.

Eines Nachmittags nach dem Kolloquium fing sie mich ab und fragte mich: ›Rebecca, ist alles in Ordnung bei dir? Ich kenne dich so gar nicht.‹. Dazu muss ich zugeben, dass ich eher in die Kategorie ›engagiert‹ gehöre und mich im Studium immer offen und kreativ eingebracht habe. Zu dieser Phase hatte ich allerdings mehr und mehr das Gefühl, meine Kreativität verloren zu haben, wollte mir aber trotzdem nicht eingestehen, dass es mir nicht gut ging. Vor allem wollte ich nicht ›aufgeben‹, so kam es mir damals zumindest vor, wenn ich darüber nachdachte, einen Kurs nicht sofort zu machen oder abzubrechen.

Meine Professorin sprach lange mit mir und ich erzählte ihr, was bei mir los ist. Sie hörte mir zu, zeigte Verständnis und gab mir Ratschläge, besonders in Hinblick auf mein Studium. Durch sie wurde mir der Druck genommen, meinen Bachelor in Regelstudienzeit durchziehen zu müssen, aber auch die Möglichkeit eröffnet, Kurse nachzuholen.

Sie ermutigte mich, mir Hilfe zu holen und machte mir einen Termin beim psychologischen Dienst des Studierendenwerks Berlin, wodurch ich kurzfristig Hilfe finden konnte. Dort ermutigten sie mich auch zu der Suche nach einem Therapieplatz (in Berlin ähnlich schwer wie das Finden einer Wohnung), wodurch ich letztlich langfristig Hilfe finden konnte und auch meine Kreativität wiedergefunden habe. Ich habe gelernt, wie wichtig es ist, meine eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und zu kommunizieren. Ich habe gelernt, dass es auch in Ordnung ist, mal etwas nicht zu schaffen. Und vor allem habe ich gelernt Hilfe anzunehmen.

Manchmal muss man auf seine Probleme aufmerksam gemacht werden, um sie letztlich selbst erkennen zu können.«

Eine aufmerksame Professorin
Lebensgeister: Spieglein, Spieglein an der Wand
17.3.2025
Lebensgeister
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Die heutige Geschichte von Vivi erzählt von Selbstzweifeln, Mut und der überraschenden Erkenntnis, dass wahre Schönheit weit mehr ist als das, was wir im Spiegel sehen:

Manchmal sind es die kleinen Momente während einer Krebserkrankung, die so viel Bedeutung haben. Für diejenigen, die diese Erfahrung machen, sind es oft die unerwarteten Begegnungen, die den größten Einfluss haben. Ein solcher Moment kann helfen, eine neue Perspektive zu gewinnen und sich selbst neu zu akzeptieren.

»Ich muss gestehen: Meine Haare haben mir schon immer unendlich viel bedeutet. Meine Haare gehörten einfach schon immer zu mir – zu meinem Bild von mir selbst. Ich wäre niemals auch nur auf die Idee gekommen eine Glatze zu tragen.

Nach meiner Krebsdiagnose im Jahr 2023 wusste ich, dass sich das bald ändern würde. Allein der Gedanke, meine Haare zu verlieren, machte mir Angst. Ich hatte das Gefühl, meine Haare definierten mich – machten mich liebenswert. Ohne sie, so dachte ich, wäre ich nicht mehr schön. Diese Vorstellung belastete mich sehr.

Nach dem zweiten Chemo-Zyklus begannen meine Haare auszufallen – büschelweise. Es war schrecklich. Ich sah es jeden Tag im Spiegel und fühlte mich hilflos. Ich konnte mich aber nicht dazu durchringen, sie abzurasieren. Ich wollte mich nicht von ihnen trennen und klammerte mich an jeden einzelnen Strohhalm. Es war, als würde ich einen Teil von mir selbst verlieren. Erst fünf Monate später, als fast nichts mehr übrig war, fasste ich Mut zum Rasierer.

Als ich mich im Spiegel sah und entschied, meine Haare abzurasieren, war das ein Wendepunkt. Es fühlte sich an, als würde ich einen Teil meiner Vergangenheit loslassen und mich auf eine neue Realität einlassen. Es war ein schmerzhafter Schritt, aber auch ein befreiender. Plötzlich fühlte ich mich leichter, als hätte ich eine Last abgeworfen.

Trotzdem blieb die Angst, was andere zu meiner Glatze sagen und wie sie mich ansehen würden.

Ich habe zwei kleine Geschwister: Amalie und Lilie. Nachdem ich die Chemotherapie abgeschlossen hatte, besuchte ich sie. Meine Haare waren zu diesem Zeitpunkt höchstens einen halben Zentimeter lang – Stoppeln eben. Ich war unsicher, wie sie reagieren würden.

Wir saßen auf dem Boden und ich alberte mit Amalie herum. Sie lachte und spielte, ohne auch nur einen Moment innezuhalten. Plötzlich lief Lilie zum Waschbecken, machte ihre Hände nass und begann, meine Haare zu ›frisieren‹. Danach sagte sie ganz selbstverständlich: ›So, jetzt sieht's besser aus‹.

In diesem Augenblick ging mir das Herz auf. Für die beiden war ich nicht ›die kranke Vivi‹, die ihre Haare wegen des Krebses verloren hatte. Ich war einfach Vivi. Ihre Vivi, die sie liebten und mit der sie Quatsch machen konnten. Meine Glatze machte für sie keinen Unterschied. Sie sahen mich, nicht meine Haare.

Diese Erinnerung werde ich für immer in meinem Herzen tragen – eine Erfahrung, die mich etwas Wichtiges gelehrt hat. Meine Geschwister sind noch so klein und sehen die Welt mit einer Unschuld und Offenheit, die mich immer wieder beeindruckt. Durch sie habe ich gelernt, dass ich, egal was ich durchmache und wie ich aussehe, immer Vivi bleibe. Ich behalte meinen Wert und werde dafür geliebt, wer ich bin – für das, was mich als Mensch ausmacht. Es war eine Befreiung zu erkennen, dass meine Haare mein Selbstwertgefühl nicht definieren.

Sie überraschten mich immer wieder aufs Neue. Es war so süß zu sehen, wie sich ihre Wahrnehmung veränderte. Kurz nach der Rasur fragte Amalie: ›Vivi hat keine Haare mehr?‹ Dann wurde daraus: ›Vivi hat kurze Haare‹. Und heute fragt sie: ›Vivi, hast du jetzt Locken?‹ Sie nahm mich immer so an wie ich war – ohne Vorurteile.

Doch das Wertvollste war das Gefühl, das mir die Kinder gaben. Ich durfte und darf ihre Liebe spüren – und die Gewissheit, dass ich auch ohne meine Haare schön bin. Diese Erkenntnis war eine der wichtigsten in dieser Zeit und für meine persönliche Entwicklung. Sie hat mir geholfen, mich selbst neu zu entdecken und meine Prioritäten neu zu setzen.

Jeder Zentimeter, den meine Haare jetzt wachsen, erinnert mich daran, dass ich die Chemotherapie erfolgreich überstanden habe. Sie sind ein Symbol für Stärke und dafür, dass das Leben weitergeht. Mehr noch: Sie zeigen mir, dass ich nicht nur überlebt, sondern auch gelernt habe, mich selbst zu lieben – unabhängig von meinem Aussehen.

Die Zeit mit meinen kleinen Schwestern berührt mein Herz noch immer zutiefst. Auch fast ein Jahr später bekomme ich Tränen in den Augen, wenn ich daran denke. Sie haben mir gezeigt, was im Leben wirklich zählt: die Liebe und die Akzeptanz der Menschen, die uns am meisten bedeuten.«

Spieglein, Spieglein an der Wand ...
Zwei Hände halten auf blauem Hintergrund eine weiße Kugel in der "Lebensgeister – Raus in die weite Welt" geschrieben steht.
17.2.2025
Lebensgeister
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Manchmal sind es die kleinen Momente während einer Krebserkrankung, die so viel Bedeutung haben. Heute wollen wir wieder einen dieser wertvollen Augenblicke mit dir teilen. Die heutige Geschichte von Katharina handelt vom Mut, nach dem Krebs spontan aufzubrechen – und die neu gewonnene Freiheit unbeschwert zu genießen:

»Wenn ich an meine eigene Krebserkrankung im Jahr 2022 und den steinigen Weg zurück in den Alltag ›nach dem Krebs‹ zurückdenke, fallen mir viele Momente ein, die mich bis heute prägen. Die meisten davon sind – wer hätte es gedacht – negativ. Doch heute möchte ich eine gute Erinnerung teilen.

Es war Mitte August 2022. Ich war seit wenigen Tagen offiziell krebsfrei und hatte gerade meinen 24. Geburtstag gefeiert. Also dachte ich, die Zeit sei gekommen, um die erste größere Reise anzutreten. Und zwar alleine. Monatelang hatte ich während meinen stationären Krankenhausaufenthalten davon geträumt, einfach weit wegfahren zu können – ohne daran zu denken, wann die nächste Therapie beginnt und ob sicherheitshalber ein Krankenhaus in der Nähe ist. Ich wollte mich endlich wieder frei und ungebunden fühlen – und vor allem spontan sein.

Also nahm ich ein Fotoshooting des Vereins ›recover your smile‹ zum Anlass, um aus meiner Heimat in Thüringen über Nürnberg nach München zu fahren. Ich war von meinem Plan begeistert, meine Eltern hingegen nicht. Ich sei noch zu schwach und würde die Anstrengungen eines solchen Solotrips unterschätzen. Schließlich machten wir einen Kompromiss: Mein Bruder sollte mich begleiten und ein wenig auf mich aufpassen.

Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als wir uns am Bahnhof verabschiedeten und in den Zug stiegen. Ich hatte plötzlich große Angst. Die letzten Monate war ich permanent auf die Hilfe meiner Eltern angewiesen gewesen, hatte mich überall hinfahren lassen und nur selten die Kraft für einen Spaziergang gehabt. Jetzt saß ich in einem überfüllten Zug Richtung Süden und musste die nächsten Tage mehr oder weniger allein zurechtkommen. Und so langsam sah ich ein, dass ich mich und meine Kräfte überschätzt hatte. In meinem damaligen Zustand war das Reisen in unbekannte Städte verdammt überfordernd. Sowohl Nürnberg als auch München mit ihren Touristenmassen strengten mich enorm an und ich verbrachte viel Zeit im Hotel, um mich auszuruhen. Umso schöner war dafür das Shooting von ›recover your smile‹. Ich lernte andere Krebspatient:innen kennen und fühlte mich im Kreise meiner Leidensgefährt:innen sofort wohl. Wir verbrachten tolle Stunden miteinander und hatten während der Fotosessions eine Menge Spaß.

Als ich am nächsten Tag wieder im Zug Richtung Heimat saß, war ich unglaublich stolz auf mich. Ich hatte mir einen meiner vielen ›Bucket-List-Wünsche‹ erfüllt – und es lebend zurück nach Hause geschafft. 😌

Diese erste Reise nach überstandener Chemotherapie war für mich einer von vielen Schritten zurück in einen selbstbestimmten Alltag. Einen Alltag ohne Krebs. Wenn ich heute in meiner Wahlheimat Berlin in den ICE steige, denke ich manchmal noch an diese Reise zurück – und bin froh, dass ich mich damals so schnell wieder aus der Komfortzone bewegt, mich in die (für mich damals) weite Welt hinausgewagt und meine Ängste überwunden habe. Es hat sich gelohnt. 💜«

Raus in die weite Welt
Zwei Hände halten auf blauem Hintergrund eine weiße Kugel in der "Lebensgeister – Die gemeinsame Suche nach dem Appetit" geschrieben steht
16.1.2025
Lebensgeister
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Manchmal sind es die kleinen Momente während einer Krebserkrankung, die so viel Bedeutung haben. Heute geht es weiter mit der Rubrik »Lebensgeister«. Sie bildet genau diese Situationen ab. Viele von uns haben mit unseren Lieben in den letzten Wochen gutes Essen genossen, auch im Sinne von »sharing is caring«. Unsere heutige Geschichte von Jowi handelt von der Wiederentdeckung des Genusses am Essen – und zwar gemeinsam:

»Essen hat für mich – wie vielleicht für einige von euch – einen besonderen Stellenwert im Leben. Ich liebe es neue Gerichte auszuprobieren, in meinen Kochbüchern zu schmökern, das nächste Rezept herauszusuchen, mich mit Freund:innen darüber auszutauschen, für andere zu kochen oder mich mit meinen Liebsten im Restaurant auf ein gutes Essen zu treffen.

Umso schlimmer war es für mich, als ich im Sommer 2023 immer weniger essen konnte, kaum noch etwas vertrug (bis auf Haferbrei und trockenes Brot) und mein Gewicht immer weiter sank. Bis zu meiner überraschenden Diagnose mit einem hochmalignen Non-Hodgkin-Lymphom war ich in ein extremes Untergewicht gerutscht. Ich nenne absichtlich keine Zahlen, weil ich niemanden triggern möchte. Die Prognosen standen auf jeden Fall nicht besonders gut, denn die Ärzt:innen sagten mir, dass mir nur noch bis September bleiben könnte, falls die Behandlungen nicht anschlagen sollten.

Ich hatte jedoch Glück, mein Körper vertrug die ersten Eingriffe und Chemotherapie, und ab da war der Appell der Ärzt:innen, dass ich dringend versuchen sollte zuzunehmen – egal wie. Das war gar nicht so einfach für mich, denn mein Appetit wollte einfach nicht zurückkommen. Während ich zuvor super gerne Kochsendungen wie ›Das Perfekte Dinner‹, ›The Taste‹ oder ›Chef’s Table‹ schaute, sowie oft am Durchblättern von Kochbüchern war, wollte ich mich so gar nicht mehr mit Essen befassen. Mein Körper und mein Geist schienen von sich aus einfach nicht essen zu wollen und zu können. Allein würde ich das nicht hinbekommen. Meine Lieblingsmenschen sahen meinen inneren Kampf und taten sich für mich zusammen: Das Projekt ›Auf der Suche nach Jowis Appetit‹ wurde gestartet.

Mein Bruder, der in der Zeit meiner Therapie vorübergehend bei mir wohnte, sowie mein Freund, hatten sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt, als sie beschlossen, mich zu unterstützen. Es wurde ausnahmslos gekocht, bestellt und gegessen, worauf ich Lust hatte, wenn ich Zuhause war. Früh stand mein Bruder auf und holte mir von meinem Lieblingsbäcker, was ich wollte, während mein Freund – ein sehr guter Koch – zauberte worauf ich Lust hatte: Suppen, Eintöpfe, Pizza, Hausmannskost, aber auch abstruse Speisen wie Pommes mit Wienern. Als mein Freund innerhalb der Woche auf der Arbeit war, bereitete mir meine Mama meine Lieblingsgerichte aus der Kindheit zu (Königsberger Klopse mit Kartoffeln oder Pierogi) und mein Vater brachte sie mir vorbei. Während der ganzen Zeit wurde Rücksicht darauf genommen, wenn ich nicht essen konnte oder wollte, auch weil das Geschmacksempfinden sich während der Chemotherapie verändern kann. Umso mehr freuten wir uns über jeden Bissen, den ich herunter bekam, sei dies gemeinsam am Tisch oder allein auf der Couch, denn manchmal war ich einfach zu schwach, um zusammen mit den anderen am Tisch zu essen.

Während der Behandlungen im Krankenhaus etablierten meine Mama und ich ein ›Kaffeekränzchen‹ am späten Vormittag, zu dem sie stets einen Kuchen mitbrachte, und meine beste Freundin Steffi rief mich jeden Mittwoch – den ich während der Chemotherapien im Krankenhaus verbrachte – auf ein gemeinsames ›Eisdate‹ an. Das tolle Team der Onkologie versorgte mich nämlich regelmäßig mit Eis, und somit saßen Steffi und ich vor unserer Kamera und schleckten gemeinsam ein Eis.

Nach und nach fiel mir das Essen immer leichter und ich hatte wieder Freude daran, das Essen mit anderen am Tisch zu teilen. Und das Gewicht auf der Waage stieg. Am Ende meiner Chemotherapien, die ein halbes Jahr andauerten, hatte ich ganze 8 Kilo zugenommen!Und tatsächlich schaffte ich es auch, zwischen den letzten zwei Chemozyklen wieder zu kochen. Es war unheimlich anstrengend für mich, ich schwitzte, das Schneiden fiel mir schwer, ich bekam Dosen und Gläser nicht alleine auf und ich konnte nur wenige Minuten ohne Schwindel stehen. Aber ich setzte mich zwischendurch einfach immer wieder hin und kämpfte mich durch. Und was soll ich sagen: Verlernt habe ich das Kochen nicht und ich war auch richtig stolz auf mich, weil das Essen auch meinem Bruder und meinem Freund gut schmeckte.

Bei meiner letzten Chemo im Krankenhaus schaffte ich es auch wieder mit Freude ein Weihnachtskochbuch zu lesen, das mir zwei liebe Freundinnen geschenkt hatten. Ich freute mich auf das Zubereiten der Gerichte in der Adventszeit.Dieses Kochbuch wurde auch dieses Jahr wieder hervorgeholt, und ehrlich gesagt kann ich es kaum fassen, dass die Zeit, in der ich nach meinem Appetit suchte, schon über ein Jahr her ist.

Dank meiner Liebsten und ihrer Unterstützung habe ich die Freude am Kochen, am Kochbuchschmökern und Essen wiedergefunden, und freue mich mit ihnen neue kulinarische Welten zu entdecken.«

Die gemeinsame Suche nach dem Appetit
Zwei Hände halten auf gelbem Hintergrund eine weiße Kugel in der "Lebensgeister – Die Magie eines Lächelns" geschrieben steht
16.12.2024
Lebensgeister
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Manchmal sind es die kleinen Momente während einer Krebserkrankung, die so viel Bedeutung haben. Heute geht es weiter mit der Rubrik »Lebensgeister«. Sie bildet genau diese Situationen ab.

»Werden mir die Haare ausfallen?« war eine meiner ersten Fragen nach der Krebsdiagnose. Komisch, wo ich doch nie an meinen dünnen, feinen Haaren gehangen habe, weil ich stets zu faul war, sie aufwendig zu stylen und sie daher oft im einfachen Zopf trug. Doch der Haarausfall zeigte mir und der Welt: Ich bin krank. Nach dem zweiten Zyklus der Chemotherapie war es dann auch soweit. Sie fielen mir büschelweise aus, sodass ich spontan zum Rasierer griff und kurzen Prozess mit meinen Haaren machte. Sich selbst glatzköpfig zu sehen, war erstmal ein Schock. »Es gibt doch Perücken«, sagte man mir. Doch diese Option fiel schnell ins Wasser, da ich auf irgendetwas allergisch reagierte - mit deutlichen, roten Striemen im Gesicht. Ich griff also zu Mützen oder Wickelschals. Im chaotischen und schnelllebigen Berlin fiel das kaum auf. Vor allem die Erwachsenen würdigten mich keines zweiten Blickes.

Es waren die Kleinen unter uns. Die Kinder, die mich wirklich gesehen haben. Logisch, würde man meinen, denn neben den Haaren fehlten mir auch Wimpern und Augenbrauen. Kindern fiel das sofort auf. Sie musterten mich stets, wenn ich ihnen begegnete. Ihr Blick war wunderlich, offen und konzentriert. Sie haben gemerkt, dass irgendetwas mit mir nicht stimmte. Doch ich hatte eine Geheimwaffe: Ich lachte sie offen und herzlich an. Und in dieser Sekunde änderte sich ihr Gesichtsausdruck blitzartig. Sie lachten zurück. Sie wussten, dass es mir dennoch irgendwie gut ging. Diese Momente haben mir immer wieder aufs Neue gezeigt, dass ein Lachen mehr bewirken kann als tausend Worte. Ich signalisierte ihnen, dass ich auch ohne Haare OK bin. Schon bald traute ich mich auch mit Glatze auf die Straße. Das waren unvergessliche Glücksmomente in einer oft schweren Zeit.

Die Magie eines Lächelns
Lebensgeiser: Hier spielt die Musik!
17.11.2024
Lebensgeister
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Manchmal sind es die kleinen Momente während einer Krebserkrankung, die so viel Bedeutung haben. Heute wollen wir wieder einen dieser wertvollen Augenblicke mit dir teilen. Weiter geht es mit der musika-lischen Geschichte von Maike. 🎶

»Ich wurde im Mai 2022 mit einem Hodgkin-Lymphom diagnostiziert und musste deshalb einen Großteil des Sommers 2022 im Krankenhaus verbringen. Obwohl ich auf viel Unterstützung von außen zählen konnte, fühlte ich mich dort sehr allein. Durch die Nebenwirkungen der Chemotherapie war ich schlapp, hatte Schmerzen und konnte mich kaum über einen längeren Zeitraum auf etwas konzentrieren. Manchmal hatte ich richtige Schwierigkeiten damit, gedanklich im Hier und Jetzt zu bleiben. Ich wusste nicht mehr, wo ich war, und driftete einfach in den Tunnel aus Schmerz und Leid ab.

Zum Glück gab es in der Klinik zwei wahnsinnig kompetente Psychoonkologinnen, die schnell erfassten, dass ich Unterstützung brauchte, um mental wieder zu Kräften zu kommen. Beinahe täglich kam eine der Psychologinnen zu mir. Wir machten gemeinsam Atem- und Konzentrationsübungen und suchten nach Möglichkeiten, mir meinen Krankenhausalltag zu erleichtern. Eine enorme Kraftquelle war für mich schon immer die Musik. Ich spiele Klavier, habe lange im Chor gesungen und schon als Kind in kleinen Musicals in der Musikschule mitgespielt. Durch meine körperlich schlechte Verfassung und die allgemein gedrückte Stimmung auf der onkologischen Station, wäre ich von alleine aber nie auf die Idee gekommen, musicalmäßig in meinem Krankenhausbett ein Liedchen zu trällern. Tatsächlich war es aber genau das, was letztlich verhindert hat, dass ich in meinem Tunnel aus Schmerz und Leid versunken bin. Eine der Psychologinnen brachte mir kurzerhand ein Keyboard auf mein Krankenhauszimmer. Es war ein älteres Modell und sicherlich klangen die ersten Songs, an denen ich mich versuchte, fürchterlich schief. Aber ich entdeckte, dass meine Stimme trotz angegriffenem Körper und Geist noch immer funktionierte. Sie war sogar erstaunlich laut und kräftig. Da meine Leukozyten sehr niedrig waren, musste ich den Anfang meines Krankenhausaufenthalts ohnehin in Umkehrisolation verbringen. Das heißt, dass ich keine Zimmernachbarinnen hatte, die sich an meinem Gesang hätten stören können.

Doch auch als ich aus der Isolation entlassen und in ein Dreibettzimmer verlegt wurde, durfte ich weiterhin musizieren. Meine Nachbarinnen freuten sich über die Gesangseinlagen und meine Lieblingskrankenschwester kam ebenfalls regelmäßig zu meinen kleinen Konzerten vorbei. In meiner Vorstellung wippten alle Patentinnen und Patienten auf der Station zu Nina Hagens »Du hast den Farbfilm vergessen« mit, wenn ich sang. Körperlich war das Singen und Spielen nach zwei bis drei Liedern meistens ein wenig anstrengend, aber ich fühlte mich dabei mental unglaublich gut. Wenn mir die Puste ausging, hörte ich einfach mit meinen Kopfhörern noch ein paar Songs und überlegte, was ich als nächstes auf dem Keyboard lernen könnte. So habe ich in der Musik einen Anker für mich gefunden, der mich immer wieder erdet, wenn ich dabei bin, mich selbst zu verlieren.

Hast du auch ein ganz besonderes Lied, das dir auch in schlechten Zeiten immer wieder auf die Beine hilft? Bei mir war es »The winner takes it all« von ABBA. Dabei betrachte ich mich als die Gewinnerin und meinen Krebs als den Verlierer!«

Hier spielt die Musik!
Lebensgeister: Ein tierischer Freund
16.10.2024
Lebensgeister
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Manchmal sind es die kleinen Momente während einer Krebserkrankung, die so viel Bedeutung haben. Heute starten wir mit unserer neuen Rubrik ›Lebensgeister‹. Sie bildet genau diese Situationen ab. Los geht es mit einer tierischen Geschichte von Nela.

»Ich muss bei dieser Geschichte etwas weiter ausholen, bevor der schöne Part kommt. Viele Patient:innen, die aufgrund einer Krebserkrankung behandelt werden, kennen dieses Gefühl: Es gibt diese Tage, an denen es einem einfach nur schlecht geht und an denen man kaum aus dem Bett kommt. So erging es mir im Sommer 2022 als ich meine erste Chemotherapie gegen den Darmkrebs erhalten habe. Da diese ordentliche Nebenwirkungen verursachte, hatte ich mich bei meinen Eltern eingenistet, die dankenswerterweise an den schwierigen Tagen ein Auge auf mich hatten. Relativ schnell stellte ich nach ein paar Chemozyklen fest, dass mir unser ehemaliger Hund Watson, ein Welsh Terrier, fehlte. Er hatte die Eigenschaft, die den Fellnasen gerne zugesprochen wird: Watson spürte, wenn es einem nicht gut ging.

Als es mir in besagtem ersten Zyklen so mies ging, sagte ich zu meinem Vater: ›Es wäre so schön, wenn Watson noch hier wäre. Er würde ab und an neben meinem Bett liegen und sich streicheln lassen. Ich vermisse ihn.‹ Wie schnell wir im Endeffekt zu unserem neuen Hund gekommen sind, das lasse ich an dieser Stelle mal unter den Tisch fallen, da es den Rahmen sprengen würde. 😄 Nur so viel: Als ich hörte, dass sich meine Eltern Welpen anschauten, war meine Begeisterung nicht die Größte. Warum? Vielleicht war meine Sichtweise etwas egoistisch, aber ich hatte Angst, dass ein junger Hund, der frisch von seiner Familie getrennt wurde, bei uns einen ziemlichen Aufstand veranstalten könnte. Und das alles, während ich im Bett lag, mich übergeben musste und einfach nur die guten Tage bis zur nächsten Chemo herbei sehnte. Nein, darauf hatte ich keine Lust.

Dementsprechend abweisend reagierte ich bei unserer ersten Begegnung. Als ich am Abend vor einem neuen Zyklus bei meinen Eltern ankam, saßen sie im Wohnzimmer und der Welpe lag ganz ruhig vor den Füßen meiner Mutter. Ich fand ihn zwar süß, hatte aber gar keine Ambitionen ihn zu streicheln. Dass Canio, ich nenne ihn Cani, mein Herz noch im Sturm erobern würde, hätte ich zu diesem Zeitpunkt nicht gedacht.

Nächster Tag: Chemo. Ich fiel sofort ins Bett und schlief immer mal wieder für ein paar Stunden. Nachts gelang mir das nicht gut. So auch in dieser. Meine Eltern wünschten mir wie immer eine gute Nacht und ließen die Tür zu meinem Schlafzimmer geöffnet, damit sie mich besser hören konnten, sollte etwas sein. Ich lag da, hatte eine kleine Lampe angeschaltet und hoffte einfach nur, dass die Nacht schnell rum sein würde.

Dann hörte ich im Flur tapsige Schritte. Plötzlich stand Cani neben meinem Bett. Er setze sich hin und starrte mich ein paar Minuten lang an. Dann legte er sich hin und schlief ein: Ganze zwei Stunden. Ich hab ihn die ganze Zeit beobachtet. Da war er, dieser Moment. Ich wusste, ich hatte einen neuen, tierischen Freund gefunden. Jemand, der mich aufmuntert, wenn ich traurig bin. Jemand, der mir ganz uneigennützig helfen würde, wenn ich es nicht schaffe, mein Essen aufzuessen. 😄 Ich bin sehr dankbar für dieses flauschige Wollknäuel. Cani macht mir so viel Freude und ist vor allem in den schlechten Zeiten mein kleiner Lebensgeist.‹

Ein tierischer Freund
Illustration eines Smartphones, aus dem eine Person heraus kommt und winkt.

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