David

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In diesem Beitrag stellen wir euch David vor, der nun seit über sechs Jahren mit der Diagnose neuroendokriner Tumor lebt. Vor welche Herausforderungen ihn seine Erkrankung stellt – und was ihm hilft, weiterzumachen, das erzählt er hier auf berührende Art und Weise.

»Badminton, Fitness, Sport – vor meiner Diagnose war ich ein hoffnungsvoller, ambitionierter Mensch. Als bei mir jedoch 2019 ein Hormon ausschüttender neuroendokriner Tumor (NET) diagnostiziert wird, ändert sich mein Leben mit 22 Jahren schlagartig.

Ich wusste schon Monate vor der Diagnose, dass etwas mit meiner Wahrnehmung nicht stimmte. Wochenlang hatte ich sehr starken Appetit, plötzliches Nasenbluten, Akne über der Brust und im Gesicht und am Schluss einen voll pigmentierten Rücken. Ich war deswegen schon öfter bei meiner Hausärztin gewesen, jedoch ohne Befund. Meine Beine und mein Gesicht waren völlig aufgedunsen. Nach drei Besuchen in der Notfallaufnahme wurde ich schließlich stationär aufgenommen.

Neuroendokrine Tumoren (NET) sind eine seltene Krebserkrankung. Sie entwickeln sich aus den neuroendokrinen Zellen, die in vielen Organen zu finden sind. Die Zellen werden vom Nervensystem kontrolliert und schütten Botenstoffe oder Hormone aus. Bei mir war der Tumor im Thymus, das ist ein Organ direkt über dem Herzen. Die Symptome wurden durch das Cushing-Syndrom ausgelöst. Das nennt man so, wenn die Tumorzellen zu viel des Cortisol stimulierenden Hormons ACTH produzieren, was dann zu einer Überproduktion des Stresshormons Cortisol führt. Da zu Beginn der Erkrankung meist keine Symptome auftreten, wird ein NET oft erst spät oder per Zufallsbefund erkannt. Oft hat der Tumor dann schon gestreut. So war es auch bei mir.

Als ich am 18. April 2019 die Diagnose erhielt, hatte der Tumor bereits Metastasen an der Wirbelsäule, im Becken und auf der Lunge gebildet. Ich wurde dann per Sternotomie (Brustöffnung) operiert und der ganze Tumor konnte zum Glück entfernt werden. Da ich aber schon Ableger an den Knochen hatte, musste ich eine Chemotherapie direkt nach der Operation machen. Als wäre das nicht schon genug, hatte ich zwei Wochen nach der Operation eine große Thoraxblutung und musste notoperiert werden. Das habe ich nur ganz knapp überlebt.

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Glücklicherweise ist das nicht mehr passiert. Ich hatte längere Zeit immer wieder Todesangst, da ich nicht wusste, ob es bei mir bergauf oder bergab ging. Für meinen spezifischen Fall existiert keine Prognose, da ein NET mit ACTH Produktion sehr selten ist. Man konnte bei mir deshalb nie sagen: ›Sie haben jetzt 80 Prozent Heilungschancen‹, oder etwas in der Art. Ich musste mit den Ärzten meine Prognose selbst erschaffen und verbessern. Auch ein ›Standard of Care‹ existierte für meinen Fall nicht. Es gibt jedoch erstaunlich viele kreative Lösungen. Viele können gefährlich und heikel sein, aber auch zu Erfolgen führen, die man vorher nicht erwartet hätte.

Eine gute Zusammenarbeit von Patient:innen, Onkolog:innen und manchmal auch der Krankenkasse ist enorm wichtig. Ich bin nun regelmäßig in Behandlung und habe mehrere Chemotherapien, Bestrahlungen, Operationen und PRRTs hinter und vor mir. Das war nicht einfach und hat auch auf die Psyche geschlagen. Am meisten belastet mich, dass mein Weg durch die Erkrankung nicht so verläuft wie bei Gleichaltrigen. Die Unterstützung meiner Eltern, meiner Freunde und die Gespräche mit einer Psychoonkologin am Unispital Basel haben mir hier sehr geholfen und tun es immer noch. Ich habe zweimal meine Lehre als Informatiker wiederaufgenommen. Außerdem habe ich während der Zeit meiner Erkrankung eine alte Leidenschaft wiederentdeckt – das Zeichnen.

Es bräuchte vor allem von den Hausärzten eine bessere Früherkennung, zum Beispiel ein Screening von Cortisol oder anderen Hormonen, damit Leute nicht jahrelang mit ihrem Krebs im Stadium 4 leben, nichts davon wissen und gleichzeitig mit allen hormonellen Symptomen ohne Therapie und Diagnose umgehen müssen und ihre Prognose verschlechtern. Auch ich ging immer wieder zu meiner Hausärztin, weil ich spürte, dass etwas mit meinem Körper nicht stimmte – leider erfolglos. So habe ich wichtige Zeit verloren, die ich fast mit meinem Leben bezahlt habe. Aber ich sage immer: ›Solange man lebt, ist noch nichts verloren‹.

Man muss den Mut haben, für seine Symptome und sein Wohlbefinden bei den Ärzten einzustehen, auch wenn Schmerzen bei Jugendlichen und AYAS (*Adolescents and young adults) oft psychologisiert werden. Vor allem die Lebensqualität nach einer Therapie sollte stark gewichtet werden, wenn man eine Entscheidung trifft. Ich habe mittlerweile auch eine experimentelle Phase 1 Studie hinter mir und Off-Label Medikamente ausprobiert, was sich gelohnt hat. Leider konnten sie die Krankheit nicht genug eindämmen und es gab im Dezember 2024 eine Not-OP am Rücken wegen einer Stenose und zusätzlich Gehirnmetastasen, was mich beides überrascht und überfordert hat. Ich bin bis heute am Lernen, wie ich damit klarkommen soll. Ich bin aber dabei, neue Therapien und Targets durch Pathologieproben zu finden, wie zum Beispiel DLL3. Allerdings habe ich immer noch mit hormonellem Stress zu kämpfen trotz hilfreicher Medikamente, muss Cortisol supprimieren und es künstlich supplementieren. Der Kampf gegen die Krankheit geht weiter.«

Name
David
Instagram
@david__guyer
Website
Interviewt von
Erzählt am
2.9.2025
Verstorben am

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