
Ich bin Sanne, 25 Jahre alt, und am 20. Oktober 2023 hat sich von jetzt auf gleich so einiges in meinem Leben verändert.
Ich bin mit epileptischen Anfällen ins Krankenhaus eingeliefert worden. Dort wurde auf dem Notfall-MRT ein Knoten im Gehirn entdeckt. In einem mehrwöchigen Krankenhausaufenthalt musste ich unter anderem zum ersten Mal am offenen Gehirn operiert werden. Dadurch, dass ich starke Medikamente bekam und sich mein Gehirn insgesamt im Ausnahmezustand befand, kann ich mich an diese Zeit kaum erinnern. Ich habe funktioniert, und erst jetzt, eineinhalb Jahre später, werden Erinnerungen daran durch die Psychotherapie wieder greifbar.
Etwa einen Monat nach der OP bekam ich die Biopsieergebnisse: ein hochmaligner Hirntumor. Krebs. Mit damals 23 Jahren. Das war ein ordentlicher Schlag. Nach erster Empfehlung auf Strahlen- und Chemotherapie ergab sich, nach Zweit- und Drittmeinungen, die Möglichkeit einer weiteren OP, um möglichst viel Tumorgewebe zu entfernen und damit meine Lebenserwartung zu verbessern. Also wurde im Dezember 2023 ein weiteres Mal mein Schädel geöffnet und ein tieferer Eingriff vorgenommen. Im Januar 2024 begann meine Bestrahlung, durch die ich viele meiner Haare verlor. Im März fanden eine Behandlung und ein Eingriff zum Erhalt meiner Fruchtbarkeit statt. Im April bekam ich endgültige Biopsieergebnisse, die meine Diagnose noch einmal verschlimmerten. Es stand fest: Bei meinem Hirntumor handelt es sich um eine besonders seltene, nicht klassifizierbare Art des Glioblastoms. Im Mai begann die Chemotherapie, die sich mit viel Übelkeit, schlechten Blutwerten und körperlichen Spuren bis in den November streckte, wo wir sie schließlich vorzeitig beendeten. Soweit der akutmedizinische Verlauf.
Aber natürlich hat die Diagnose auch einen großen Einfluss auf mein Leben insgesamt. Ich wurde aus der Ausbildung gerissen. Zudem fiel ein großer Lebensplan – im Mai 2024 mit meinem Freund einmal um die Welt zu segeln – wofür wir schon alles in trockenen Tüchern hatten, ins Wasser. Aber auch wenn meine Krebsart bislang nicht heilbar ist und die Belastung enorm, gab es für mich nie die Option, meinen Mut und meine Hoffnung zu verlieren.
Am Tag meiner Krankenhausentlassung im Dezember 2023 bekamen wir Familienzuwachs: einen Hundewelpen, der so viel Leben und Glück in meinen neuen, chaotischen Alltag brachte. Quinny half und hilft mir noch immer sehr, mit meiner Krankheit klarzukommen. Spaziergänge haben mich während der Behandlungen fit gehalten, Kuscheleinheiten in schweren Momenten getröstet und die Verantwortung, die mit ihr einhergeht, lenkt mich ab und lässt mich nach vorne sehen. Während der Chemotherapie verbrachten wir den Sommer auf unserem Segelboot. Keine Weltreise, aber wir machten das Beste aus der Situation. Das, was möglich war. Obwohl die Zeit an Bord auf Reisen enorm herausfordernd und extrem anstrengend war, war es hilfreich, mir nicht alles von der Krankheit nehmen zu lassen und mein Leben – wenn auch in einem anderen Umfang – weiter zu leben. Den Winter verbrachten wir dann in unserem Van und umrundeten einmal die iberische Halbinsel. Zu dieser Zeit konnte ich auch das erste Mal endlich wieder in den Sattel steigen und damit einen großen Bestandteil meines vorherigen Lebens zurückgewinnen. Diesen Sommer zogen wir dann wieder auf unser Segelschiff und ab Herbst werde ich Vollzeitstudentin sein. Ehrlich gesagt sehne ich mich momentan nach nichts mehr, als nach einem simplen Alltag, bestehend aus Reitsport, Studium, Freunden, meinem Partner und unserem Hund. Ein Alltag, der trotzdem komplett anders sein wird, als vor der Diagnose, denn ich bin krebskrank. Mich begleiten regelmäßige Kontroll-Scans, Arzttermine, Medikamente und Nebenerkrankungen, die der Krebs mit sich gebracht hat.
Ausschnitte meines Lebens als junge Erwachsene mit Krebs teile ich nun, mal mehr und mal weniger, bei Instagram.
Ich möchte anderen Menschen in ähnlichen Situationen Mut machen und zeigen, dass Leben, Abenteuer und Selbstbestimmung nicht vorbei sein müssen – trotz einschneidender Diagnose in so jungem Alter. Ich möchte anderen zeigen, dass sie nicht alleine sind. Außerdem gehe ich offen mit den Herausforderungen um, die Krebs für junge Erwachsene mitbringt – da diese vielen nicht-betroffenen Personen nicht bewusst sind und damit keine ausreichende Repräsentation in unserer Gesellschaft finden.
Mir hat besonders geholfen, zu akzeptieren, dass sich Dinge in alle Richtungen verändern können und werden. Ins Negative, aber ebenso ins Positive. Ich hatte und habe enorme Unterstützung von meinem Umfeld und darf weiterhin ein Leben in höchster Qualität und Freude führen. Das wünsche ich mir für alle anderen Betroffenen genauso.
Aber das funktioniert eben nur durch Hilfe von anderen. Hilfe aus der Gesellschaft. Die mobilisiert werden kann, wenn wir Sichtbarkeit erzeugen und Menschen für unsere Situation sensibilisieren. Daher teile ich meine Geschichte.
Mein Motto: It‘s a life not a fight!
