Mein Name ist Paul Wendt, ich bin zweiundzwanzig Jahre alt und komme aus Bayern. Mit sechzehn Jahren bekam ich die Diagnose Krebs. Ein Hodgkin-Lymphom im Mediastinum (zwischen Brustbein, Lunge und Herz). Der Weg zur Diagnose war eine ziemliche Tortur, und es war anfangs überhaupt nicht ersichtlich, dass es mit der Diagnose Krebs enden würde.
Es fing alles im April 2019 an, als ich urplötzlich einen unerklärlichen starken Juckreiz am Rücken hatte. Zahlreiche Allergiemedikamente brachten nichts. Nach einer gewissen Zeit breitete sich der Juckreiz über den ganzen Körper aus. Die Haut war ab einem gewissen Punkt so empfindlich, dass ich mich regelmäßig blutig gekratzt und sehr viele offene Stellen am Körper hatte – vergleichbar mit aufgeplatzten Pusteln. Kein Arzt konnte sich das erklären. So entstand die Anfangsdiagnose Krätze, die mich lange begleitete. Es zog sich bis in den August 2019. Sämtliche Medikamente gegen Krätze brachten nur noch mehr Verzweiflung, da sie nicht wirkten. In der Zwischenzeit nahm ich immer weiter ab und wurde kontinuierlich schwächer. Ich bekam hauptsächlich nur noch Süßes herunter. Alles andere wollte mein Körper nicht.
Irgendwann gegen Ende der Sommerferien zwischen der neunten und zehnten Klasse entwickelte ich dann einen sehr starken Husten, vergleichbar mit dem Husten eines starken Rauchers. Dazu kamen Abgeschlagenheit, Atemnot und Fieber. Nach etlichen Besuchen beim Hausarzt und vielen verschiedenen Antibiotika kam ich dann ins Krankenhaus mit Anfangsverdacht auf atypische Lungenentzündung, wo zum ersten Mal ein Computertomografie vom Brustkorb gemacht wurde. Das Ergebnis war mehr als eindeutig. Ein mediastinaler Morbus Hodgkin mit einem Durchmesser von sieben Zentimetern. Ich kam am selben Tag in eine spezialisierte Universitätsklinik.
Ich bekam sechs Chemozyklen mit anschließender Bestrahlung. Es war eine harte Zeit, gerade was das paraneoplastische Ekzem (eine durch Krebs verursachte Hautreaktion) anging. Mir wurde gesagt, dies würden nur zwei von hundert Jugendlichen mit der Diagnose Morbus Hodgkin bekommen. Ich habe mich während der Therapie allerdings auf meinen Schulabschluss vorbereitet und diesen auch mit gutem Ergebnis erreicht. Einen Ausbildungsplatz als Verwaltungsfachangestellter konnte ich währenddessen auch bekommen. Die Nachwirkungen der Krebstherapie zeigen sich nun aber leider: Von versteiftem beziehungsweise vernarbtem Lungengewebe, über Asthma und eingeschränktes Lungenvolumen bis hin zu Epilepsie und Chemo-Brain (mentale Beeinträchtigung nach Chemotherapie). Ich bin aber bei guten Fachärzt:innen, durch welche ich alles gut im Griff habe. Eingeschränkt bin ich als junger Mensch allerdings trotzdem, da ich nicht viel tun kann, was man in meinem Alter tut.
Gegen Ende der Therapie fragte ich meinen Oberarzt, wie ernst es zu Beginn war. Er ist ein sehr ehrlicher Mensch, und ich verstehe mich bis heute gut mit ihm. Er sagte mir ehrlich, dass ich, wenn ich noch eine Woche länger gewartet hätte, sprich eine Woche später ins Krankenhaus gegangen wäre, wahrscheinlich nicht mehr hier sein würde. Man kann sagen, ich bin dem Teufel von der Schaufel gesprungen. Einen Psychotherapieplatz habe ich aber relativ schnell erhalten, um alles aufzuarbeiten.
Vor allem bin ich meiner besten Freundin Alessia dankbar, welche mich psychisch aufgefangen hat und verhindert hat, dass ich mich aufgebe. Auch meinen Eltern bin ich dankbar für alles, was sie in dieser Zeit für mich getan haben. Die Zustimmung, Studienpatient zu sein, half mir auch sehr, die Zeit zu überstehen. So hatte ich viel mit Medizinstudierenden zu tun und konnte so meinen Beitrag leisten, um für dieses Krankenhaus zu sensibilisieren.
Ich möchte allen Krebspatient:innen, gerade Kinder- und Jugendkrebspatient:innen, hiermit aufzeigen, dass durch die Diagnose Krebs nicht alles verloren ist. Man kann es definitiv schaffen und im Anschluss ein gutes Leben haben. Es wird nie wieder sein wie vorher, das ist Realität. Aber das ist nichts, womit man sich nicht arrangieren kann. Ihr schafft das alle!