
Mein Name ist Nathalie Sänger, 34 Jahre jung und palliativ. Im August 2018 bekam ich die Diagnose Nasenrachenkrebs und erhielt 39 Bestrahlungen in Verbindung mit sieben Chemotherapien. Nach meiner Therapie machten die Ärzt:innen ein MRT und CT, wobei sie feststellten, dass der Tumor noch da, aber still ist. Meine behandelnden Ärzt:innen entschieden sich für eine Immuntherapie alle vierzehn Tage. Nach meiner dritten Immuntherapie im Mai bekam ich am 28. Mai 2019 eine Tumorblutung, bei der ich knapp drei Liter Blut verlor und durch den hohen Blutverlust ins künstliche Koma gelegt wurde. Damit ich nicht am Blut ersticke, machten sie einen Luftröhrenschnitt. Im Koma erlitt ich einen Schlaganfall, weshalb die Ärzt:innen ein erneutes CT machten und sahen, dass der Tumor bereits in die Halsschlagader gewachsen ist.
Nach vier Tagen holten mich die Ärzt:innen aus dem Koma. Durch den Schlaganfall waren mein rechter Arm und meine linke Gesichtshälfte gelähmt. Laufen konnte ich auch nicht mehr. Vier Tage später kam mein behandelnder Onkologe, um meinem Mann und mir zu sagen, dass der Tumor in die Halsschlagader gewachsen sei und sie mir nur noch wenige Tage geben würden. Deshalb fragte er mich, was mein letzter Wunsch sei. Ich sagte sofort, meinen Mann zu heiraten. Wir hatten unseren Hochzeitstermin bereits geplant. Wir wollten uns nach der Therapie am 30. August 2019 das Ja-Wort geben. Aber bis dahin, sagten sie, werde ich es nicht mehr schaffen. Innerhalb von drei Tagen organisierten meine Freunde und die Familie eine Hochzeit im Krankenhaus.
Am 9. Juni 2019 haben wir uns vor circa dreißig Gästen im kleinen Krankenzimmer das Ja-Wort gegeben. Zehn Tage später, am 19. Juni 2019, sind mein Mann und ich gemeinsam ins Heili-Geist-Hospiz Unna gezogen. Mein Mann bekam ein Extrabett mit ins Zimmer. Bereits am ersten Wochenende bat der Hospiz-Arzt meine Mutter und meinen Mann vor die Tür, um ihnen zu sagen: ›Bitte verabschieden Sie sich langsam, sie wird das Wochenende nicht überleben.‹
Allerdings haben sie mir das nie erzählt, weil sie nicht wollten, dass ich mich aufgebe. Von diesem Tag an ging es Tag für Tag immer bergauf. Ich lernte wieder laufen und auch, meinen Arm wieder zu bewegen. Mein Mann erzählte es mir einige Jahre später tatsächlich erst von diesem Gespräch. Im September 2019 hatten wir ein Gespräch mit der Leitung und fragten uns, ob wir es uns vorstellen könnten, nach Hause zu gehen. Wir haben sehr lange überlegt, vor allem ich. Ich hatte immer den Gedanken: Was ist, wenn ich zu Hause sterbe? Nach einigen Tagen und guten Gesprächen mit dem Pflegedienst und meiner Familie wussten wir bestärkt, dass wir nach Hause gehen werden. Mein Mann ist von seinem Arbeitgeber seit dem Tag, an dem wir ins Hospiz gezogen sind, bis heute freigestellt worden, um mich zu pflegen und wir unsere gemeinsame Zeit genießen können. Das alles ist über sechs Jahre her. Ich habe aus zehn Tagen bereits sechs Jahre gemacht und genieße jeden Tag mit meinem Mann. Man darf sich niemals aufgeben.
