Im August 2023 hatte ich Bauchschmerzen. Was für mich nicht ungewöhnlich war, da ich schon seit Jahren an Colitis ulcerosa ‒ einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung ‒ litt.
Aber die Bauchschmerzen waren (anders als sonst) im Oberbauch und sie wurden und wurden nicht besser. Samstagabend bekam ich Fieber und entschied, ins Krankenhaus zu fahren. Sie äußerten dort den Verdacht einer Blinddarmentzündung und ich sollte dableiben. Das fiel mir wahnsinnig schwer, weil ich ungewisse Situationen überhaupt nicht mag. Sonntagmorgen wurde dann ein Ultraschall gemacht und es hieß eindeutig Blinddarmentzündung. Ich wurde sofort operiert. Zu diesem Zeitpunkt ging ich davon aus, in ein paar Tagen nach Hause gehen zu können. Mittwochs hieß es, dass der pathologische Befund noch dauern würde, weil noch nachuntersucht werden müsste. Zu keinem Zeitpunkt dachte ich an etwas Schlimmes. Donnerstag war meine Mama zu Besuch und die Chefärztin und der Oberarzt kamen. Ich sehe mich noch im Bett sitzen, während meine Mama meine Hand hielt. Mir wurde gesagt, dass leider ein bösartiger Tumor im Blinddarm gefunden wurde. Es hieß aber, dass ich Glück hatte, dass er jetzt entdeckt wurde. Es folgte eine Darmspiegelung, um zu schauen, ob etwas im Darm ist. Montags wurde ich erneut operiert. Entfernung des rechten Dickdarms mit Lymphknoten und Anlage eines Stomas.
Dickdarm und Lymphknoten waren frei. Also machte ich mir keine Sorgen. Dachte, ich hätte es gerade so noch geschafft – Glück gehabt. Ich setzte mich zu keinem Zeitpunkt näher damit auseinander. Ich sollte dann vorsichtshalber eine orale Chemotherapie machen für 6 Monate. Vorher bekam ich allerdings noch eine Thrombose in der Bauchvene. Ende März war ich dann durch mit Chemo und begann Anfang Mai wieder zu arbeiten. Als mir die Diagnose im August überbracht wurde, habe ich geweint ‒ danach kein einziges Mal wieder ‒ ich habe funktioniert und bin einfach durch alles durchmarschiert. Und nun schien alles überstanden.
Ich entschied mich mein Stoma zu behalten und mir den Dickdarm komplett entfernen zu lassen, da ich die Colitis ulcerosa schon seit 2018 nicht mehr unter Kontrolle bekam. Im September 2024 wurde mir dann der Dickdarm entfernt. Im Oktober 2024 hatte ich meine erste Krebsnachsorge und der Horror begann. Erhöhte Tumormarker. Dann auffälliges CT. Im November zum MRT ‒ weitere Auffälligkeiten wurden entdeckt. Dezember: Bauchspiegelung in der Uniklinik Düsseldorf. Das Ergebnis der Bauchspiegelung wurde mir am nächsten Morgen bei der Visite (mit 7 Personen) vor die Füße geklatscht ‒ die Schnelluntersuchung hat bösartiges Gewebe ergeben. Ich dachte: ›Das war’s jetzt‹. Nicht mal 40 und ich werde bald sterben. Es war ein unglaublicher Schmerz, eine riesige Verzweiflung. Der Gedanke meine Tochter zurücklassen zu müssen ‒ ein unbeschreiblicher Schmerz. Ich war so hoffnungslos. Hatte Gedanken wie: ›Lohnt es sich noch neue Schuhe zu kaufen?‹
Ich musste nun beginnen mich mit dem Tod auseinanderzusetzen ‒ Patientenverfügung, Vollmachten, Testament… Dinge, über die ich vorher nie nachgedacht hatte. Ich informierte mich über Bauchfellmetastasen und entschied mich nach Dortmund zu gehen zu Professor Zieren ins Bauchfellzentrum. Er verstand nicht, warum die ganze Diagnostik so lange gedauert hatte. Er sagte mir, es könnte eine HIPEC-OP ‒ also eine kombinierte Therapie aus chirurgischer Tumorentfernung mit direkt nachfolgender Chemotherapie des Bauchraums ‒ gemacht werden. Der Termin für die OP war dann am 29. Januar 2025. Ich hatte wahnsinnige Angst vor der OP und hatte Zweifel, ob ich das Richtige tue. Meine Mama begleitete mich nach Dortmund und blieb dort bis zu meiner Entlassung im Hotel.
Die OP dauerte 9 Stunden. Es wurde alles Bösartige radikal entfernt. An Eierstöcken und Gebärmutter hatte ich mittlerweile einen Tumor so groß wie ein Handball. Bauchfellmetastasen waren schon ins Zwerchfell gewachsen. Aber es wurde krebsfrei operiert und 1,5 Stunden wurde ein Chemomedikament durch den Bauch gespült (HIPEC). Ich habe die OP gut überstanden. Die Heilung verlief super. Ich konnte früher als gedacht von der Intensivstation verlegt werden und früher als gedacht nach Hause gehen. Meine Mutter war mir eine unglaubliche Hilfe. Nicht allein zu sein hat meine Heilung, glaube ich, gefördert.
Es hieß es sei keine Chemotherapie nötig, da krebsfrei operiert wurde. Neun Wochen später wurde beim Kontroll MRT eine neue Metastase gefunden. Nur 9 Wochen nach der OP... Ich hatte mir mehr von der HIPEC-OP versprochen. Und wieder riss es mir den Boden unter den Füßen weg. Nun befinde ich mich seit dem 22. April 2025 in Chemotherapie. Im Juli steht das nächste Kontroll-MRT an und ich habe wahnsinnige Angst vor den nächsten schlechten Nachrichten. Ich habe mich noch nicht mit dem Thema Sterben angefreundet ‒ es fällt mir so schwer zu akzeptieren, dass ich bald sterben könnte.
Natürlich kann jeder zu jeder Zeit sterben ‒ man weiß es ja vorher nicht. Aber Krebs macht es auf einmal realer ‒ bringt den Tod näher. Oft denke ich, dass ich mich jetzt beeilen muss, weil ich ja nicht weiß wie viel Zeit mir noch bleibt ‒ muss mich beeilen und rausfinden was ich noch erleben möchte und dann noch die Dinge erleben.