Julia

,

35

Julia ist 35 Jahre alt und erhielt am 12. Februar 2025 die Diagnose Brustkrebs, bei dem auch drei Lymphknoten in der rechten Achsel befallen waren. Später wurde bei ihr außerdem eine weitere Brustkrebsart in der linken Brust festgestellt.

Am 12. Februar 2025 erhielt ich die Diagnose Brustkrebs. Drei Lymphknoten in der rechten Achsel waren ebenfalls befallen. Die Diagnose galt noch als ›Früherkennung‹, denn der Krebs hatte bis dahin nicht gestreut.

Im Nachhinein ist das für mich absolut unglaublich, denn hatte ich den Knoten ja bereits im Oktober 2024 bemerkt. Allerdings stillte ich zu diesem Zeitpunkt meine damals sechs Monate alte Tochter voll und war mir sicher, dass es sich um einen Milchstau handeln musste. Nie im Leben wäre ich auf Krebs gekommen.

Zu Weihnachten 2024 fielen mir dann die geschwollenen Lymphknoten auf. Also ging ich im Januar zu meiner Hausärztin, um mir etwas für diesen ›lästigen Milchstau‹ verschreiben zu lassen. Die Ärztin gab mir zusätzlich eine Überweisung zum Ultraschall und ich fragte mich, wozu das nötig sei. Beim Ultraschall wurde mir meine Illusion ganz schnell mit den Worten ›Also, ein Milchstau sieht anders aus.‹ genommen.

Von da an brach meine kleine, heile Welt immer wieder zusammen. Denn mit der finalen Diagnose Brustkrebs Triple Negativ (schnell wachsend und aggressiv) begann ein absoluter Alptraum, aus dem ich einfach nur erwachen wollte. Ich musste von einem Tag auf den anderen meine Tochter abstillen, denn der Port sollte bereits zehn Tage nach der Diagnose eingesetzt werden. Die Chemotherapie startete eine weitere Woche später. Bis dahin war mein kleines Baby nur bei ihrem Papa und mir gewesen. Noch nie war sie alleine bei Verwandten, geschweige denn längere Zeit ohne mich, ihre Mama. Doch mit der bevorstehenden Therapie, welche stationär stattfinden würde, musste ich mich und meine kleine Tochter genau darauf vorbereiten.

Ich habe diese Situation oft für mich reflektiert und kam immer zu demselben Schluss: Ohne meine Tochter wäre einiges leichter gewesen, da ich nur auf mich hätte Acht geben müssen. Allerdings glaube ich, hätte ich ohne sie niemals einen solchen Kampfgeist entwickelt.

Meine Motivation, diese Krankheit zu überwinden und gesund zu werden, war knapp siebzig Zentimeter groß und nannte mich ›Mama‹.

Natürlich gibt es auch viele andere sehr wichtige Menschen in meinem Leben, ganz besonders meinen Partner, der mir von Anfang an wirklich jeden einzelnen Tag zur Seite stand und es nach wie vor tut.

Allerdings war mir ganz schnell klar: Wenn ich das nicht überleben sollte, würde er schon irgendwie zurechtkommen. Aber meine Tochter kann ich keinesfalls ohne ihre Mama aufwachsen lassen – nicht, nachdem ich selbst wusste, wie es ist, einen Elternteil als Kind zu verlieren. Also kämpfte ich mich durch jede Chemotherapie, jeden schlechten Tag und sämtliche körperliche Beschwerden. Für meine kleine Maus.

Selbst als die nächste Hiobsbotschaft kam – eine andere Brustkrebsart in der linken Brust (östrogenrezeptor-positiv) – sammelte ich mich nach einem kurzen Wut- und Heulausbruch relativ rasch wieder und kämpfte weiter.

Die zwei verschiedenen Brustkrebsarten erfordern unterschiedliche Behandlungsformen: Triple-negativ muss mit Chemotherapie, Operation, Bestrahlung und Antikörpertherapie behandelt werden, während bei östrogenrezeptor-positiv eine Operation und Hormontherapie ohne Chemotherapie erfolgen sollte. All diese Fakten machten mir ganz schnell klar, dass unsere Tochter wohl leider unser einziges Kind sein wird.

Diese ganzen negativen Nachrichten machten mir einerseits zwar sehr zu schaffen, andererseits wusste ich, dass es für mich nur einen Weg gab – MITTEN HINDURCH.

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Es gibt keine Alternative für mich, als die Therapien durchzuziehen, um gesund zu werden und es auch zu bleiben. Denn mein erklärtes Ziel war von Anfang an, meine Tochter aufwachsen zu sehen. Daran halte ich nach wie vor fest.

Mittlerweile bin ich fast am Ende meiner Chemotherapie angelangt und trotzdem steht mir noch ein langer Weg bevor. Doch in dieser Zeit habe ich sehr viel dazugelernt. Ich versuche, meine Grenzen klarer zu kommunizieren, Hilfe anzunehmen, meine Kräfte einzuteilen und vermehrt in der Gegenwart zu leben. Denn egal ob gesund oder krank, niemand von uns weiß, wie viel Zeit er auf dieser wundervollen Welt hat.

Deshalb habe ich die Zeit der Chemotherapie so gut es ging ›genossen‹. Ich weiß, das klingt komisch, doch irgendwann wurde mir klar: Wenn ich das Ende der Therapie, die Operation, die Bestrahlung und so weiter herbeisehne, dann wird meine kleine Tochter in der Zwischenzeit groß und ich verpasse es. Also nahm ich jeden Tag, wie er kam. Mal war es ein guter Tag, mal war er nicht so angenehm. Mal fuhren wir in den Kurzurlaub und genossen die Zeit am Meer, mal blieben wir nur zu Hause und lasen ein Buch auf der Couch, weil ich zu mehr keine Kraft hatte.

Mittlerweile habe ich meine beidseitige Mastektomie hinter mir und bin seit dem 12. September OFFIZIELL KREBSFREI. Die Chemotherapie hat sich auf beide Tumore positiv ausgewirkt: Der Triple-negative ist komplett verschwunden und der hormonbedingte Tumor wurde im Wachstum stark eingeschränkt. Es ist also alles noch einmal gut gegangen. Aktuell befinde ich mich mitten in der Immuntherapie und auch meine Hormontherapie habe ich bereits gestartet. Die Angst vor einem Rezidiv bleibt nach wie vor immer irgendwo im Hinterkopf und trotzdem versuche ich jeden Tag zu genießen.

Im August 2025 haben mein Partner und ich geheiratet, ein Schritt, auf den wir uns schon seit Ewigkeiten gefreut haben. Ich genieße unser gemeinsames Leben und die Möglichkeiten, die zusätzliche Zeit, die unserer kleinen Familie geschenkt wurde.

Daher mein Tipp an alle Betroffenen: ›Nutzt die guten Tage für schöne Erlebnisse und nehmt die schlechten Tage an, wie sie sind.‹

Name
Julia
Instagram
@july_jul_sen
Website
Interviewt von
Erzählt am
30.10.2025
Verstorben am

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