»Schon früher, als mein Körper noch rund lief wie ein gut geöltes Rennrad – bevor der Krebs dazwischenfunkte –, gaben mir Naturgeräusche aus dem Lautsprecher eine besondere Kraft. Sie waren mein Bio-Kaffee fürs Ohr. Sobald das Zwitschern und Zirpen auf meine Ohren traf, fiel mir das Fokussieren bei der Arbeit leichter: erst mit CDs, dann mit der endlosen YouTube-Auswahl. Heute nutze ich meist Spotify – oder bastle mir meine eigene Klanglandschaft mit einer Handy-App: ein Chor von Grillen, das Summen der Bienen, ein fernes Sommergewitter … oder doch lieber das sanfte Meeresrauschen?
Nach meiner Diagnose Magenkrebs wurde dieses Ritual noch wichtiger, weil ich bemerkte, wie sehr es mich beruhigte. Und irgendwann blieb ich bei Klängen von der Alm hängen: Kuhglocken, Vogelzwitschern, ein plätschernder Bach … allein beim Hören dieser Geräusche spürte ich Freiheit und Unbeschwertheit. Ja, ich ging früher oft bergsteigen. Jetzt – einige Monate nach meiner Magenentfernung – gehe ich wieder in die Berge. Ich liebe es. Nur ist es etwas aufwändiger, weil ich mein spezielles Essen vorbereiten muss.
In der Zeit der Chemos war aber ans Bergsteigen nicht im Entferntesten zu denken – eine Treppe war schon zu viel. Ein paar Stufen, und mir ging die Luft aus. Kein Wunder, die Blutwerte waren tief im Keller. Dazu häufige Übelkeit, Gewichtsverlust, blutige Nase, rote Augen … alle Schleimhäute waren angegriffen. Jedes Essen schmeckte nach Pappkarton – wobei, es schmeckte eigentlich nach gar nichts. Düstere Gedanken vor der OP: ›Wie wird es sein, das Leben ohne Magen?‹ Noch mehr düstere Gedanken danach, denn ohne Magen war mein Körpergewicht weiter im Sinkflug. Deutliches Untergewicht. Und es standen noch vier Chemos bevor. Oh je.
In dieser dunkelsten Phase brauchte ich etwas, das stärker war als die Angst – und fand es in den Kuhglocken. Jedes Mal, wenn ich diese Almklänge hörte, war es wie ein mentaler Ausflug in die Bergwelt. Kühe erinnern mich an weite Wiesen und an wolkenlose Etappen meines Lebens. Diese kräftigen Tiere mit den großen, sanften Augen verbinde ich mit Ruhe und Gelassenheit. Außerdem sind Kühe soziale Wesen, die Freundschaften in der Herde pflegen.
Also: Das Gebimmel lief rauf und runter. Kühe im Wohnzimmer, auf der Toilette und im Schlafzimmer. Das hat mir Kraft gespendet! Naturgeräusche brachten mich in eine positive Stimmung, sodass ich mich aufraffte, selbst wenn ich erschöpft am Boden lag.
Wenn meine Familie das Geläute und Gemuhe nicht mehr ertrug, wanderte ich mit Kopfhörern in meine eigene Almwelt. Dort vertrieben die Glocken meine Grübeleien und läuteten mich abends in den Schlaf.
Ich habe recherchiert: Das Zwitschern der Amsel, das Murmeln eines Baches – sie sind mehr als nur Hintergrundklänge. Studien zeigen: Naturgeräusche senken den Stresslevel, fördern erholsamen Schlaf und unterstützen den Heilungsprozess. Denn unser Gehirn ist seit Urzeiten darauf programmiert, bestimmte Geräusche als Zeichen von Sicherheit zu deuten. Vogelgesang oder leises Wasserplätschern bedeuten: keine Gefahr in der Nähe. Und der Stressabbau wiederum verbessert messbar die Immunfunktion.
Bei mir war es aber ganz unwissenschaftlich: Die Geräusche von grasenden Kühen wehten von der Bergwiese in mein Leben, wie von selbst. Es fühlte sich einfach richtig an. Es hat Erinnerungen geweckt, die mich stärkten. Es gab mir das Gefühl: Damit geht es leichter. Bimmelimelim …«
Auf seiner Magenkrebs-Homepage hat Frank eine Seite eingerichtet, die zum Durchatmen einlädt. Dort sammelt er Links zu Playlists mit Naturgeräuschen auf YouTube und Spotify. Außerdem stellt er hilfreiche Webseiten und kostenfreie Apps vor, mit denen sich ganz leicht eigene Nature-Sounds zusammenstellen lassen – eine Einladung zum Entspannen und Kraftschöpfen: www.okayfrank.de